Worum geht es bei der Wahl in der Türkei genau?

Worum geht es bei der Wahl in der Türkei genau?
Türken können bis nächsten Sonntag abstimmen: Wollen sie neue Regeln in ihrem Land? Dann sagen sie "Evet", also "Ja". Sind sie gegen neue Regeln kreuzen sie "Hayir", also "Nein", an. (Foto: dpa)

Evet oder hayir? Das ist Türkisch und heißt: Ja oder nein. Für eines von beidem sollen die Türken sich heute endgültig entscheiden. Sie sollen sagen, ob sie der Verfassungsreform, also den Änderungswünschen, von Präsident Recep Tayyip Erdogan zustimmen – oder nicht. Worum geht es dabei? Warum reden  so viele darüber? Und warum haben auch Türken in Deutschland ihre Stimme abgegeben? Das klären wir heute.

Worum geht’s überhaupt?

Der türkische Präsident Erdogan möchte die Verfassung seines Landes ändern. Stell dir vor, der Staat wäre ein Haus. Die Verfassung bestimmt darüber, welche Wände wo stehen, welche Zimmer wo sind und welche Regeln in dem Haus gelten. Und Erdogan möchte nun einige Wände verrücken und neue Hausregeln einführen. Doch das kann er nicht einfach so alleine machen. Dafür braucht er die Zustimmung der Politiker im Parlament (die hat er aber schon bekommen) und die des Volkes. Diese Abstimmung, wird auch Referendum genannt und findet an Ostersonntag statt. Rund 55 Millionen Türken dürfen wählen.

Was soll geändert werden?

Ähnlich wie in Deutschland gibt es in der Türkei einen Präsidenten und einen Ministerpräsidenten. Der Präsident heißt Erdogan und hat ähnliche Aufgaben wie der deutsche Bundespräsident. Der Ministerpräsident Binali Yildirim ist der Regierungschef, also so etwas wie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Erdogan möchte aber, dass der Ministerpräsident abgeschafft wird und der Präsident dessen Aufgaben übernimmt.

Das würde bedeuten, dass der Präsident viel mehr Macht hat: Er hätte großen Einfluss auf die Politiker im Parlament und ihre Entscheidungen, zum Beispiel wenn sie neue Gesetze machen. Ja, der Präsident könnte sogar eine Art Gesetz erlassen – ohne, dass das Parlament zustimmen muss. Das nennt man Dekret. Außerdem kann er wichtige Jobs an Politiker verteilen, Minister entlassen und bestimmte Richter einsetzen.

Warum die Änderungen?

Und viele sind dafür. Es bleibt also spannend. (Foto: dpa)

Viele Menschen sind gegen Erdogans Änderungen… (Foto: dpa)

Erdogan und seine Anhänger finden, dass die Verfassung veraltet ist. Außerdem, sagen sie, hätten die Richter und das Militär zu viel Macht. Ein weiterer Grund ist der Putsch, den es im Juli 2016 gab: Damals hatten Soldaten versucht, Erdogan und seine Regierung zu stürzen. Seitdem herrscht in dem Land der Ausnahmezustand. Mit der neuen Verfassung könnte Erdogan schneller alleine Entscheidungen treffen (er muss ja dann keine anderen Politiker mehr fragen) – und das ist vielen Leuten wichtig.

Andere Menschen, unter anderem Experten aus Europa, sagen aber: Erdogan will einfach nur mehr Macht haben. Sie fürchten, dass die Türkei durch die Änderungen zu einer Diktatur werden könnte. Das ist ein politisches System, in dem eine einzige Person alles entscheidet – und in der keine anderen Meinungen erlaubt sind als die des Diktators.

Und die deutschen Türken?

Auch die Türken, die in Deutschland leben, dürfen bei der Abstimmung mitmachen. Sie konnten ihre Stimme schon vorher an verschiedenen Orten in Deutschland abgeben. Denn von den 55 Millionen Wahlberechtigten leben 1,4 Millionen in Deutschland. Zum Vergleich: In Köln lebt etwa eine Million Menschen. Wahlforscher rechnen mit einem engen Ausgang der Wahl.   Deswegen könnten die Stimmen aus Deutschland einen Unterschied ausmachen.

Aus diesem Grund wollten Erdogan und seine Anhänger hierher kommen, um für das Referendum zu werben. Darüber gab es viel Streit. Irgendwann haben die türkischen Politiker aber gesagt, dass sie hier keinen Wahlkampf mehr machen werden. Übrigens: Wenn die Türken mit „Ja“ stimmen, werden viele Änderungen wahrscheinlich direkt umgesetzt. Aber egal, wie es ausgeht: Danach wird es wohl Stress in der Türkei geben, glauben Experten.

Von Angela Sommersberg

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