Wann ist endlich Bescherung?

Wann ist endlich Bescherung?
Foto: Martin Gerten/dpa

Vielleicht liest du diesen Artikel nur, weil dir furchtbar langweilig ist. Weil du willst, dass die Zeit schneller vergeht. Weil jetzt endlich Weihnachten sein soll! Aber warum vergeht ausgerechnet an Heiligabend die Zeit viel langsamer als an anderen Tagen? Und wie schaffst du es, geduldig zu sein? 

Wie empfindet man Zeit?

Wenn du einem Sekundenzeiger dabei zuschaust, wie er im Kreis läuft, dann wird dir auffallen, dass er immer im gleichen Tempo tickt. Die Zeit vergeht also gleich schnell. Aber: Für dich fühlt sich das nicht immer so an. Mal scheint eine Minute so lang zu sein wie eine Stunde – und ein anderes Mal wie eine Sekunde. Woran liegt das? Ein Grund dafür ist, dass du an Heiligabend sehr aufgeregt bist. Gerade weil du immer wieder auf die Uhr schaust, zieht sich der Tag wie Kaugummi. Damit die gefühlte Zeit schneller vergeht, solltest du dich ablenken. Wie wäre es, wenn du deinen Eltern beim Kochen hilfst?

Warum sind die Erwachsenen so geduldig?

Apropos Eltern – die wirbeln an Heiligabend gestresst durch die Wohnung: Kochen, Klamotten bügeln, alle noch duschen, Oma abholen, und, und, und. Für sie vergeht die Zeit an Weihnachten immer sehr schnell. Das liegt aber nicht nur daran, dass sie so beschäftigt sind. Sondern auch daran, dass sie schon so oft Weihnachten gefeiert haben – und nicht mehr so aufgeregt sind wie du. Unser Gehirn ist nämlich so gemacht, dass es sich vor allem neue Dinge gut merken kann. Das ist wichtig, denn dadurch lernt das Gehirn. Aber Dinge, die wir jeden Tag machen, merkt es sich nicht gut – die kann es ja schon.

Denk mal an deine ersten Tage in der Schule zurück: Du weißt bestimmt noch genau, was du gelernt hast, oder? Bis zehn zählen, die ersten Wörter lesen. Aber schon ein Jahr später ist ein Schultag wie der andere – es sei denn, es passiert etwas sehr Aufregendes. Und gerade weil Weihnachten immer ähnlich abläuft (zum Beispiel: Krippenspiel, Bescherung, Essen, am ersten Tag bei Großeltern eins, am zweiten Tag bei Großeltern zwei) – und deine Eltern schon etwa 40 Mal in ihrem Leben Weihnachten gefeiert haben, ist das für sie nichts Neues. Es sei denn, sie machen in diesem Jahr etwas ganz anderes und fahren zum Beispiel mit dir in den Urlaub. Dann wird auch für sie die Zeit anders vergehen.

Und die Geduld?

Wie schaffst du es denn nun bis zur Bescherung zu warten, ohne verrückt zu werden? Dazu haben Forscher Experimente gemacht. Das bekannteste ist der sogenannte Marshmallow-Test: Ein vierjähriges Kind sitzt in einem leeren Raum, vor ihm ein Marshmallow, also ein Mäusespeck. Der Forscher sagt dem Kind, dass es noch ein zweites Stück Mäusespeck bekommt – wenn es die Süßigkeit nicht isst und wartet, bis der Forscher zurückkommt. So wollten die Forscher herausfinden: Können Kinder geduldig warten, wenn die Belohnung dann größer wird? Manche konnten es, andere nicht.

Der Forscher, er heißt Walter Mischel, traf die Kinder aus dem Test viele Jahre später wieder – und stellte fest, dass diejenigen, die als Kinder geduldig gewartet hatten, als junge Erwachsene ein erfolgreicheres Leben führten. Andere Forscher sind sich aber nicht sicher, ob dieses Ergebnis stimmt. In neuen Tests haben sie herausgefunden: Ob man geduldig warten kann, hat auch viel damit zu tun, was man für ein Mensch ist und wie man aufgewachsen ist. Natürlich können auch ungeduldige Kinder später viel erreichen.

Und nun?

Und wie hilft dir das nun beim Warten? Zunächst solltest du dir vorstellen, dass die Bescherung noch schöner wird, wenn du so lange darauf gewartet hast. Sie ist also mindestens fünf Marshmallows wert (oder sogar zehn?). Außerdem kannst du dir ein paar Tricks von den Kindern aus dem Experiment abgucken. Diejenigen, die erfolgreich warten konnten, haben sich zum Beispiel mit erfundenen Spielen abgelenkt. Der Forscher Walter Mischel hat einmal erzählt: Sie spielten Klavier auf ihren Zehen, sangen Lieder oder stellten sich vor, dass das Marshmallow vor ihnen nur eine Wolke wäre – also gar nicht essbar. Du siehst: Sich auf etwas anderes zu konzentrieren, hilft dir dabei, geduldig zu sein. Und während du diesen Artikel zu Ende liest, sind bestimmt schon wieder zehn Minuten vergangen – und bald wird es losgehen.

In diesem Sinne wünschen wir dir und deiner Familie: Frohe Weihnachten, eine schöne Bescherung und leckeres Essen.

Von Angela Sommersberg