Unter Stoffbahnen verborgen

Unter Stoffbahnen verborgen
Der verhüllte Reichstag in Berlin im Jahr 1995. Foto: Wolfgang Kumm, dpa - Bildfunk

Vor genau 25 Jahren passierte in der Stadt Berlin etwas total Abgefahrenes: Die beiden Künstler Christo und Jeanne-Claude verhüllten mit riesigen Stoffbahnen das Reichstagsgebäude. Dort tagt das Parlament.

Das Künstlerpaar Christo und Jeanne Claude verhüllten vor 25 Jahren in Berlin den Reichstag. Die große Kunstaktion schauten sich über fünf Millionen Menschen an. Foto: Andreas Altwein/dpa

Wer hatte die Idee?

Alles fing vor rund 50 Jahren mit einer Postkarte an. Ein Freund hatte sie Christo geschickt. Auf der Vorderseite war das Reichstagsgebäude in der Stadt Berlin zu sehen. Auf der Rückseite hatte der Absender eine Idee notiert: Ob Christo nicht Lust hätte, dieses Gebäude zu verhüllen? Der Künstler und seine Frau hatten Lust.

Was waren das für Künstler?

Mit riesigen Stoffbahnen wollte das Künstlerpaar das Reichstagsgebäude einhüllen – und zwar komplett, von oben bis unten. Solche Kunstprojekte machten Christo und seine Frau weltberühmt. Sie hüllten nicht nur den Reichstag ein, sondern auch andere Gebäude und zum Beispiel eine Brücke in der Stadt Paris. Sogar Inseln und Landschaften verhüllten sie: In den USA spannten sie einen gigantischen Vorhang über ein rund 400 Meter breites Tal. Oft werden sie deshalb als Verhüllungskünstler bezeichnet.

Foto: Wolfgang Kumm, dpa – Bildfunk

Was war das Problem?

Allerdings dauerte es ziemlich lange, bis aus der Idee für den Reichstag Wirklichkeit wurde. Rund 23 Jahre mussten Christo und seine Mitstreiter für ihr Vorhaben kämpfen: Denn die Künstler brauchten das Okay der Politiker der damaligen Bundesrepublik. Immerhin wollte das Paar jenes Gebäude verhüllen, in dem jahrelang das Parlament getagt hatte. Die Politiker befürchteten, mit der Verhüllung werde das Ansehen des Hauses beschädigt. Sie sagten deshalb Nein.

Wie ging es weiter?

Die Stimmung änderte sich jedoch mit der Wiedervereinigung. 1990 schlossen sich die Bundesrepublik und die DDR zu einem gemeinsamen Land zusammen. Es entstand das Deutschland, wie wir es heute kennen. Berlin sollte wieder Hauptstadt werden und im Reichstag sollte wieder das Parlament tagen (das tut es heute ja auch).

Dazu musste das Gebäude damals umgebaut und saniert werden. Das war die Chance für Christo und Jeanne-Claude! Die Politiker stimmten noch mal ab – und dieses Mal sagten sie: Ja. Viele glaubten nun, die Verhüllung des Reichstags sei ein tolles Zeichen des Neubeginns und eine prima Werbung für Deutschland.

Gewerbekletterer rollen die Verhüllungsplanen für den Berliner Reichstag vom Giebel des Bauwerks ab. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Wie lief die Verhüllung ab?

Im Juni 1995 ging es los. Die ersten Stoffbahnen wurden am Reichstagsgebäude entrollt. Für das Künstlerduo gehörte schon der Aufbau mit zum Kunstwerk. Deshalb durften keine Kräne und Maschinen zum Einsatz kommen. Stattdessen brachten Kletterer die riesigen, silbrig-glänzenden Stoffbahnen an. Zusammen waren die Bahnen so groß wie etwa 14 Fußballfelder! Mit einem irre langen blauen Seil wurde das Ganze dann verschnürt.

Foto: Wolfgang Kumm, dpa

Wer guckte sich das an?

Rund zwei Wochen war das Reichstagsgebäude verhüllt. Über fünf Millionen Menschen sollen sich das Kunstwerk angesehen haben. Viele brachten ein Picknick mit und setzten sich auf die Wiese vor dem Gebäude. Das war das Tolle an den Kunstwerken von Christo und Jeanne-Claude: Sie waren für jeden frei zugänglich und kosteten keinen Eintritt. (dpa)

Die Künstler

Christo hieß mit vollem Namen Christo Wladimirow Jawaschew. Er wurde in Bulgarien geboren – und zwar am 13 Juni 1935. Das Witzige ist: Seine Frau Jeanne-Claude wurde genau am gleichen Tag geboren, allerdings in Casablanca (Marokko). Die beiden lebten später in New York. Jeanne-Claude starb vor elf Jahren, Christo am 31. Mai diesen Jahres.

Von Stefanie Paul