„Nur die Nachhilfe ist nicht verboten“

Mariam träumt davon, später auf eine Universität zu gehen. Bild: dpa

Mariam (15) lebt in Afghanistan und würde gerne zur Schule gehen. Die neue Regierung lässt sie nicht

Mariam geht in die 10. Klasse einer Mädchenschule in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Unterricht hat die 15-Jährige aber keinen, obwohl die Sommerferien schon lange vorbei sind. In ihrem Heimatland haben die Taliban die Macht übernommen. Das ist eine Gruppe von Männern, die sich selber als sehr strenggläubige Muslime bezeichnen. Andere Muslime meinen, dass sie viel zu streng sind.

Die Taliban haben in Afghanistan schon einmal regiert, nämlich bis vor knapp 20 Jahren. Mädchen durften damals nicht zur Schule. Frauen wurde verboten, ohne Männer aus dem Haus zu gehen. Wenn sie es trotzdem taten, wurden sie von Taliban-Polizisten verprügelt.

Warum dürfen ältere Mädchen erst mal nicht in die Schule?

Die Taliban haben versprochen, dass ihre neue Regierung Frauen und Mädchen besser behandelt. Trotzdem haben sie keine Frau in ihre Regierung aufgenommen. Viele Frauen, die etwa in Ministerien gearbeitet haben, wurden erstmal weggeschickt. Und ältere Mädchen wie Mariam, die die siebten bis zwölften Klassen besuchen, dürfen erst einmal nicht zur Schule gehen. Die Taliban sagen, dass sie das bald wieder ändern wollen. Vorher wollen sie sich aber noch zwei Sachen überlegen: Wie Mädchen und Frauen in der Schule und bei der Arbeit sicher sind, und wie dabei die Regeln der Religion eingehalten werden können. Viele Afghaninnen und Afghanen glauben den Taliban nicht.

Wie hält Mariam Kontakt zu ihren Mitschülerinnen?

Mariam sagt: „Ich vermisse den Unterricht.“ Besonders gelte das für ihr Lieblingsfach Biologie. Ihre Lehrerinnen möge sie zwar, vermissen tue sie sie aber nicht so sehr. Zu ihren Klassenkameradinnen habe sie auch so Kontakt. Mariam hat ein Smartphone, mit dem sie mit Freundinnen spricht oder chattet. Weil sie jetzt viel Freizeit hat, spielt sie auch öfter auf dem Gerät. Außerdem hilft sie bei der Hausarbeit, wie sie sagt.

Was befürchten die Mädchen in Afghanistan?

Viel lieber würde Mariam aber zur Schule gehen. In Afghanistan beginnt das Schuljahr immer schon im März. In wenigen Monaten hätte Mariam also die zehnte Klasse abgeschlossen. „Ich ärgere mich, dass der Unterricht einfach aufgehört hat“, sagt sie. Mariam macht sich Sorgen, dass sie das Schuljahr vielleicht wiederholen muss, wenn die Taliban den Unterricht für Mädchen wie sie nicht bald wieder anfangen lassen. „Wir haben Angst, dass sie uns das vielleicht nie erlauben.“

Was wünscht sich Mariam?

Mariam würde später gerne an einer Universität studieren, dafür braucht sie aber einen Schulabschluss. Die 15-Jährige träumt davon, Zahnärztin zu werden. Sie hat viele Verwandte, die etwas mit Medizin studiert haben. Auch wenn sie nicht zur Schule kann, gehe sie weiter zur Mathe-Nachhilfe, das habe noch niemand verboten, sagt sie. Außerdem wiederhole sie Stoff, den ihre Klasse schon durchgenommen hat.

Mariam sagt, sie sei ein muslimisches Mädchen. Es sei aber überhaupt nicht in Ordnung, wenn Mädchen und Frauen im Namen der Religion unterdrückt würden. Sie wünscht sich, dass ihr Vater sie zu ihrer älteren Schwester schickt, die in Istanbul in der Türkei studiert. Dort könnte Mariam die Schule fertigmachen – und vielleicht eines Tages Zahnärztin werden.

Von Can Merey (dpa)