„Lernen ohne Schule? Das kenne ich!“

Mathe, Deutsch und Englisch – das alles und noch viel mehr hast du in den letzten Wochen zuhause gelernt. Wegen der Corona-Krise sind in Köln und ganz Deutschland die Schulen geschlossen. Für die meisten Kinder war das eine neue und ungewohnte Situation. Nicht so für Finn.
Der Achtjährige geht momentan in keine reguläre Schule, sondern er ist „Freilerner“. Das heißt: Er lernt vor allem das, was ihn gerade besonders interessiert. Und das überall auf der Welt, weil er mit seiner Mutter Anja in einem weißen VW-Bus lebt und herumreist.
Mehr über Finn, Anja und ihr Leben im Van erfahrt ihr unter
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Anja und Finn. Foto: Anja Hänisch
Wie kam es dazu?
Finn und Anja sind schon immer gerne gereist, und zwar mit ihrem eigenen VW-Bulli „Paul“. In dem Wagen können sie auch kochen und übernachten. Seit Anfang 2019 sind sie die ganze Zeit unterwegs. Die beiden haben gemeinsam schon viele Länder in Europa bereist, zum Beispiel Italien, Spanien und Portugal. Momentan sind sie auf der wunderschönen Karibik-Insel Curaçao – ohne ihren Van. Finns Vater lebt in Deutschland.
Warum leben die beiden nicht in einer Wohnung?
Finn und Anja lieben das Reisen. Anja arbeitet als virtuelle Assistentin. Das bedeutet dass sie mit Hilfe des Internets für verschiedene Unternehmen arbeitet. Ihren Job kann sie von überall auf der Welt ausüben – auch im VW-Bus, so lange sie eine Internetverbindung hat. Beide wollen momentan gar nicht zurück nach Deutschland und in einer Wohnung leben. Wegen der vielen schönen Momente, die sie auf ihren Reisen gemeinsam erleben. Ihre genaue Reise-Route bestimmt das Wetter. Falls es gerade zu kühl ist, geht es einfach weiter in Richtung Süden. Da momentan allerdings fast alle Camping-Plätze geschlossen sind, bleiben die beiden jetzt erstmal auf Curaçao.
Ist das Leben im VW-Bus auf Dauer nicht zu eng?
Diese Befürchtung hatten die beiden am Anfang ihrer langen Reise auch. Dass es langweilig oder der enge Platz zum Problem wird. Doch inzwischen sind ihre Bedenken verflogen. „Wir sind viel in der Natur unterwegs. Genießen jeden Tag den Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang oder beides. Schlendern über Strände, stecken die Füße ins Meer, klettern auf Berge und entdecken die Welt. Und das alles meistens bei bestem Wetter“, sagt die 37-Jährige.

Finn beim Werkunterricht. Foto: Anja Hänisch
Wie funktioniert das Freilernen?
Während Anja vormittags an ihrem Computer arbeitet, lernt Finn. Das macht er nach seinen eigenen Interessen und in seinem Tempo. „Bis jetzt klappt das sehr gut. Er liest relativ viel und interessiert sich auch sehr für Museen. Oft recherchieren wir auch Sachen gemeinsam“, sagt seine Mutter. Finn hat auf seinen Reisen schon viele verschiedene Kinder, Kulturen und neue Dinge kennengelernt.
Was ist der Unterschied zwischen Freilernen und Homeschooling?
Beim Freilernen gibt es keinen festen Plan, auch keine strikten Vorgaben oder Aufgabenblätter. Das Kind lernt nach Bedarf und Interesse. Als die beiden in Rom waren, hat Finn zum Beispiel ganz viel über die alten Römer gelernt. Freilernen basiert also auf freiwilligem Lernen. Das Konzept geht davon aus, dass jedes Kind von Natur aus lernen möchte.

Mit VR Brille am Circus Maximus in Rom. Mit der Brille wird das alte Rom auf die Ruinen projiziert … Ziemlich cool. Foto: Anja Hänisch
Und was ist mit der Schulpflicht?
Homeschooling und Freilernen sind in Deutschland offiziell nicht erlaubt, in anderen Ländern aber schon. Finn ist angemeldet beim „Off Campus Programm“ der amerikanischen Schule Clonlara. Die Schule legt besonders in der Grund- und Mittelstufe großen Wert auf freie Lernkonzepte. Bei den Themen, die sich Finn selbst erarbeitet, orientiert er sich an Vorgaben, die den deutschen Lehrplänen ähneln. „Wir gehen mit offenen Augen durch die Welt und beschäftigen uns intensiv mit dem, was wir uns live anschauen können. 2019 waren wir drei Monate in Italien. Während dieser Zeit haben wir auch zwei Vulkane besucht – den Vesuv und den Etna. So konnte Finn ganz natürlich jede Menge über Vulkanismus, Pompeji und das alte Rom lernen. An einem rauchenden Vulkan oder im Kolosseum zu stehen, ist etwas ganz anderes, als darüber nur in Büchern zu lesen.“ Anja hat den Eindruck, dass das erworbenes Wissen so bei Finn viel besser hängen bleibt. Der Achtjährige hat danach Kinderbücher über die alten Römer freiwillig und mit viel Begeisterung gelesen.
Was machen Finn und Anja während der Corona-Zeit?
Gerade sind die beiden auf der Karibik-Insel Curaçao und wohnen in einer Ferienwohnung auf dem Grundstück einer Familie, die hauptsächlich Englisch spricht. Da sie gerade nicht reisen können, liegt der Schwerpunkt jetzt auf Englisch lernen. Außerdem gibt es am Haus immer jede Menge zu tun und Finn hat so „Werkunterricht“. Allerdings gibt es auch ein Thema, das Finn freiwillig nicht so gern lernt: Mathe. Hier sorget seine Mutter mit interessanten Arbeitsheften und häufiger Erinnerung für die nötige Bildung. Zusätzlich schaut Finn gern Wissenssendungen im Internet und nutzt Lernapps wie Anton oder SofaTutor. Jeweils zum Halbjahresende schreibt Anja dann einen Lernstandsbericht für das jeweilige Zeugnis.
Von Christina Rinkl