Kinderrechte feiern Geburtstag

Kinderrechte feiern Geburtstag
Vor 30 Jahren einigten sich weltweit ganz viele Länder auf bestimmte Rechte für Kinder. Foto: Gregor Fischer/dpa

Spielst du gerne Mau-Mau? Dann weißt du: Wenn dein Freund eine Sieben legt, musst du zwei Karten ziehen. Es sei denn, du hast auch noch eine Sieben auf der Hand – dann muss dein Freund gleich vier Karten ziehen.

So lauten die Regeln. Ähnlich wie Spielregeln funktionieren Rechte: Wenn alle sich daran halten, können wir friedlich zusammenleben. In Deutschland stehen diese Rechte im Grundgesetz. Zusätzlich gibt es Rechte speziell für Kinder und Jugendliche. Und die feiern heute 30. Geburtstag! 

Was sind die Kinderrechte?

Die Rechte haben einen langen Namen: „Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen“. Die Vereinten Nationen (kurz UN) sind eine Organisation, der fast alle Länder der Welt angehören. Schon lange wollte die Organisation spezielle Rechte für Kinder festhalten. Denn: Kinder sind besonders verletzlich und sollen gut geschützt werden. Am 20. November 1989 war es so weit: Die Vereinten Nationen einigten sich auf das Abkommen zu den Kinderrechten. Bis heute haben fast alle Länder unterschrieben. Wer das tut, verspricht also, sich an die Spielregeln zu halten. Insgesamt 41 Rechte stehen im Abkommen. Daraus kann man vereinfacht zehn Rechte ableiten. Welche das sind, siehst du in der Mitte.

Wie steht es um die Rechte?

Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, wollte wissen: Halten sich in Deutschland alle an die Spielregeln?

Deswegen hat die Organisation in diesem Sommer mehr als 12 000 Jungen und Mädchen befragt. Das hier haben die Kinder gesagt: Fünf von zehn Kindern würden gerne bei politischen Entscheidungen mitreden. Doch nur jedes zweite Kind hat das Gefühl, dass es mitmachen kann. Viele Kinder würden zum Beispiel gerne mitreden, wenn es darum geht, Angebote für die Freizeit zu planen. Auch in der Schule würden sechs von zehn Kindern gerne mehr mitbestimmen. Doch meistens dürfen die Schülerinnen und Schüler nur den Klassensprecher wählen. Worüber im Unterricht gesprochen wird, oder was es in der Mensa zu Essen gibt – das dürfen die meisten Kinder nicht mitentscheiden. 

Was ist mit dem Grundgesetz?

Viele Staaten haben die Kinderrechte nicht nur unterschrieben – sondern auch in ihre Verfassung aufgenommen. So wollen sie noch deutlicher zeigen, dass sie sich an die Spielregeln halten. Deutschland hat das bisher noch nicht getan. Das ist nämlich gar nicht so leicht. Die aktuelle Regierung hat aber fest versprochen, die Kinderrechte vor der nächsten Bundestagswahl ins Grundgesetz aufzunehmen. Dazu gibt es auch schon einen Vorschlag. Wäre das nicht ein schönes Geburtstagsgeschenk?

Stellvertretend für drei Kinderrechte haben wir je ein Kind befragt. Es ist übrigens Zufall, dass es nur Mädchen sind.

Johanna. Bild: Herbert Bucco

Das Recht auf Bildung

In Johannas Schule gibt es keinen Klassenraum und keine Fächer. Es gibt nicht mal Hausaufgaben. Johanna (8) geht auf eine besondere Schule: die Aktive Schule in Köln-Vogelsang. „Das ist trotzdem eine richtige Schule“, sagt Johanna. „Aber hier haben die Kinder Lust zu lernen.“ Insgesamt 60 Kinder zwischen sechs und zehn Jahren besuchen die Grundschule, los geht’s um halb neun mit dem Morgenkreis. Dann sagt jedes Kind, was es am Tag machen möchte. Denn: In der Aktiven Schule dürfen die Kinder selbst entscheiden, was sie wann lernen möchten. Jeden Tag gibt es verschiedene Angebote, so ähnlich wie AGs, von denen man sich etwas aussuchen kann.

„Am liebsten mag ich das Mal-Karussell“, sagt Johanna. „Da malen wir zusammen mit einer Künstlerin.“ Aber natürlich lernt Johanna auch Lesen, Schreiben und Rechnen. Jeden Tag will sie daran arbeiten, so steht es in ihrem Stundenplan, den sie zusammen mit ihrer Mentorin für sich erstellt hat. Im „Mathestern“ kann sie sich von einer der Lehrerinnen zum Beispiel erklären lassen, wie Mal-Rechnen funktioniert. „Wenn ich es einmal kapiert hab, vergesse ich es auch nicht wieder. Und ich kann dann auch anderen Kindern helfen.“

Wenn Johanna keine Lust auf Mathe hat, geht sie draußen spielen. Das macht sie aber gar nicht so oft. „Es ist wichtig, etwas zu lernen“, sagt Johanna. Deswegen findet sie auch das Kinderrecht auf Schule so wichtig. „Sonst kommt man später im Leben nicht zurecht.“ Dass es die Kinderrechte gibt, findet Johanna gut. „Wir haben auch ein Leben und brauchen deswegen Rechte.“ Für die Kinder in Deutschland wünscht Johanna sich, dass es mehr Schulen wie ihre gibt. „Ich glaube, hier sind die Kinder glücklicher und weniger gestresst als auf einer Regelschule.“

Zhou Xueling (15) ist in der Bezirksschülervertretung aktiv
Foto: Martina Goyert

Das Recht mitzureden

„Köln ist eine große Stadt mit vielen Schulen“, sagt Xueling. „Aber trotzdem spielt die Meinung der Schülerinnen und Schüler oft keine Rolle, wenn die Stadt etwas beschließt.“ Das ärgert die 15-Jährige. „Die Schulen sind so kaputt, dass viele Schüler ihre Klassenzimmer in Containern haben – das geht doch nicht!“ Solche Dinge wollte Xueling nicht länger hinnehmen. Erst war sie Klassensprecherin und saß in der Schülervertretung, seit anderthalb Jahren macht sie auch in der Bezirksschülervertretung (kurz BSV) mit. Dort sitzen acht Jugendliche, die alle Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen in Köln vertreten.

Die BSV vermittelt zwischen Schülern und Politikern der Stadt Köln. Wenn ein Treffen zwischen Schülervertretern und Politikern stattfindet, ist Xueling oft dabei. Ihre Aufgabe ist es nämlich, Protokoll zu schreiben. Außerdem will sie erreichen, dass sich die Schulen in den einzelnen Stadtteilen miteinander vernetzen. Deswegen organisiert sie zum Beispiel gemeinsame Treffen. Rund fünf Stunden pro Woche arbeitet Xueling für die BSV, da bleibt ihr nicht viel Zeit für andere Hobbys. Sie sagt: „Es ist so ein gutes Gefühl, dass wir bei der BSV den Politikern unsere Meinung sagen können – ich glaube, das zeigt Wirkung.“

Sie findet, dass Erwachsene viel häufiger auf das hören sollten, was Kinder sagen. „Wenn wir selbst mal erwachsen sind, sollen wir auch unsere Meinung sagen. Das klappt aber nur, wenn wir das als Kinder schon geübt haben.“ Deswegen wünscht sie sich, dass es in Köln ein Kinderparlament gibt.

Cedra. Foto: Max Grönert

Das gleiche Recht für alle

Sedra wünscht sich, dass die Kinderrechte für alle Kinder gelten und jeder Mensch wirklich gleich ist. „Es ist doch ganz egal, ob man aus Syrien oder Deutschland kommt, Christin oder Muslimin, Junge oder Mädchen ist.“ Sedra (14) ist Muslimin. Seit gut vier Jahren lebt sie in Deutschland, ursprünglich kommt sie aus Aleppo in Syrien. Weil dort seit vielen Jahren Bürgerkrieg herrscht, ist die Familie geflohen. Zunächst kam Sedra alleine mit ihrem Vater nach Deutschland, mittlerweile sind auch ihre Mutter und ihre kleine Schwester hier. Dass Kinder auf der Flucht besonders geschützt werden sollen, ist übrigens auch eines der Kinderrechte.

Sedras großer Bruder lebt mittlerweile in Schweden. Sie habe die gleichen Rechte wie er. „Meine Eltern vertrauen mir“, sagt Sedra. „Ich erzähle meiner Mutter aber auch alles – wie einer Freundin.“ Von anderen Mädchen weiß sie aber, dass Jungs manchmal bevorzugt werden, oft mehr Taschengeld bekommen und auch länger rausgehen dürfen als Mädchen. Dabei sind Mädchen doch viel ruhiger und schüchterner als Jungs, findet Sedra. „Die Jungs in der Schule sind manchmal ganz schön frech.“ Oft würden sie die Mädchen ärgern und verletzende Kommentare über ihr Aussehen machen. „Das macht mich traurig“. 

Deswegen ist Sedra froh, dass sie im Mädchenzentrum „Lobby für Mädchen“ in Mülheim mit ihren Freundinnen unter sich ist. Jeden Nachmittag kommt sie hierher, isst zu Mittag, macht ihre Hausaufgaben oder tanzt Hip Hop. Wenn sie groß ist, möchte sie am liebsten Kinderärztin werden. „Ich mag es einfach, Kindern zu helfen.“

Von Angela Sommersberg