Gletscherschmelze betrifft uns alle

Der Schweizer Gletscher-Forscher Matthias Huss und sein Team beobachten über 100 Schweizer Gletscher
Im Sommer brach in Italien der Marmolata-Gletscher ab. Riesige Eismassen stürzten hinab. Aber wie kann so etwas plötzlich passieren? „Gletscher sind große Massen aus Schnee und Eis. Sie entstehen dort, wo es das ganze Jahr kalt ist: An den Polkappen der Erde und in hohen Gebirgen wie den Alpen“, erklärt der Schweizer Gletscher-Forscher Matthias Huss.
Der Schnee schmilzt in diesen Gegenden auch im Sommer nicht weg. Fällt neuer Schnee darauf, wird die untere Schneeschicht zu einer dicken Eisschicht zusammengedrückt: dem Gletscher. „Das geht nicht schnell. Das dauert einige Jahre“, sagt der Experte.
Die Lunge der Erde
Stell dir Gletscher wie die Lunge der Erde vor. „Im Winter atmen sie viel Schnee ein und speichern ihn“, sagt Matthias Huss. Wenn es wärmer wird, schmilzt die Schneeschicht auf der Gletscherzunge. Das Wasser fließt in die Flüsse. Es versorgt Pflanzen, Tiere und uns mit Trinkwasser. „Man kann sagen: Der Gletscher atmet das gespeicherte Wasser aus, wenn wir es brauchen“, erklärt der Fachmann.
Das Problem ist: Die Gletscher schmelzen und verschwinden sogar. Matthias Huss und sein Team beobachten, dass die Schweizer Gletscher nur noch halb so groß wie vor 100 Jahren sind. Der Grund ist der Klimawandel. Die durchschnittliche Temperatur auf der Erde steigt. Es ist nicht mehr lange genug kalt, dass die Gletscher im Winter ausreichend Schnee einatmen können.
Auch das Unglück in Italien hatte wohl mit höheren Temperaturen zu tun. Mehrere Bergsteiger kamen dabei ums Leben. Was mit den Gletschern in den Alpen passiert, merkt man aber nicht nur in den Bergen.
Eingriff in die Natur
Je kleiner die Gletscher sind, desto weniger Wasser können sie im Winter aufnehmen und im Sommer abgeben. „Bereits jetzt sehen wir, dass Flüsse wie der Rhein im Sommer weniger Wasser führen. Schiffe können nicht mehr in jedem Fluss fahren“, sagt Herr Huss. Wenn der Schnee im Winter aber nicht auf den Gletschern liegen bleibt, steigt das Wasser in den Flüssen und Meeren an und überschwemmt die Städte.
„Dass sich das Klima verändert, ist auf der Welt nichts Außergewöhnliches“, sagt Herr Huss. In der Geschichte der Menschheit habe es schon immer Klimaveränderungen gegeben. Weil der Mensch seit 100 Jahren aber so stark in die Natur eingreife, gehe es jetzt sehr viel schneller.
Die Berechnungen der Forscher zeigen: Schon in 80 Jahren könnte der Meeresspiegel um einen Meter angestiegen sein. Auch wenn wir alle Klimaschutzziele einhalten, wird sich das Klima erwärmen. „Aber es wird viel langsamer gehen. Wir können uns besser daran anpassen“, sagt der Experte. Vielleicht können wir einige Gletscher retten, bevor sie völlig abgeschmolzen sind.
Von Mariana Friedrich (dpa)