Fliegen lernen

Fliegen lernen
Die junge Waldrappe lernen, wie sie wieder richtige Zugvögel werden. Foto: Waldrappteam/Anne-Gabriela Schmalstieg/dpa

Wie bringt man einem Vogel bei, dass er den Winter im Süden verbringen soll? Ganz einfach, man setzt sich in ein kleines Flugzeug und zeigt es ihm. Mit dem Flugzeug fliegt man über die Alpen, mehr als 1000 Kilometer weit, bis nach Italien. Klingt abgefahren, oder? Aber Anne-Gabriela Schmalstieg und ihre Kollegen haben genau das gemacht, und zwar mit dem Waldrapp. 

Der Schnabel des Waldrapps ist auffällig lang und gebogen. Foto: Felix Kästle/dpa

Was ist ein Waldrapp?

Vielleicht fragst du dich jetzt: ein Waldrapp? Das sind außergewöhnliche Vögel. Sie haben etwa die Größe einer Gans, ihr Gefieder ist glänzendschwarz mit grünlichem Glanz, der Schnabel sehr lang und gebogen. Die erwachsenen Tiere haben eine Glatze. In freier Wildbahn könnte man den Waldrapp auf einem Acker entdecken, auf einer Wiese oder Weide. Dort im Boden sucht der Vogel nämlich besonders gerne mit seinem langen Schnabel nach Futter. Er ernährt sich unter anderem von Würmern, Käfern und Schnecken.

Bei uns waren Waldrappe ausgestorben. Nun werden Jungvögel aufgezogen und wieder angesiedelt. Foto: Waldrappteam/Corinna Esterer/dpa

Wo lebt der Waldrapp?

Doch du wirst den Waldrapp nicht entdecken. Er ist nämlich extrem selten! Früher lebte der Waldrapp auch bei uns in Deutschland. Doch vor etwa 400 Jahren wurde er hier ausgerottet. Sehen kann man die Vögel deshalb fast nur noch im Zoo.

Da aber kommen Anne-Gabriela Schmalstieg und ihre Kollegen ins Spiel. Seit einigen Jahren versuchen sie, den Waldrapp wieder in Deutschland anzusiedeln. Die Forscher haben aber noch größere Pläne: Sie wollen dem Vogel beibringen, in weit entfernte Regionen zu fliegen und wieder zurückzukehren. „Denn der Waldrapp ist ursprünglich ein Zugvogel“, erzählt die Expertin.

Die menschlichen Zieheltern bringen den jungen Vögeln eine ganze Menge bei. Foto: Waldrappteam/Johannes Fritz/dpa

Wie lernen die Tiere das?

Allerdings kennen die Jungtiere die Strecke in den Süden nicht von selbst. „Sie müssen sie von ihren Eltern erlernen, und zwar im ersten Jahr“, erklärt die Fachfrau. Und was macht man, wenn es keine Eltern gibt, die das beherrschen? Hier springen Menschen wie Anne-Gabriela Schmalstieg als Ersatzeltern ein.

Sechs Jahre lang hat sie Jungvögel aus einem Tierpark mit der Hand aufgezogen. Tag und Nacht hat sie sich um sie gekümmert und mit ihnen mehrere Monate für den großen Tag trainiert. Einmal im Jahr starten die Forscher dann jeweils mit 32 Jungvögeln Richtung Süden.

Mit ihren menschenlichen Zieheltern finden die jungen Vögel ihren Weg nach Süden. Foto: Waldrappteam/Anne-Gabriela Schmalstieg/dpa

Wie läuft die Reise ab?

Die Ersatzeltern sitzen mit zwei Piloten in Ultraleicht-Flugzeugen, die mit einem übergroßen Gleitschirm extra langsamer gemacht wurden, um sie an die Fluggeschwindigkeit der Jungvögel anzupassen. Die fliegen einfach nebenher.

Ein Team am Boden begleitet den ungewöhnlichen Vogelzug auf dem weiten Weg. Das Team transportiert etwa das Futter für die jungen Vögel und das Gepäck der Forscher. Aber auch eine Voliere ist dabei. So nennt man einen großen Vogelkäfig. In der Voliere können die Tiere sicher übernachten. Pause macht die Gruppe beispielsweise auf kleineren Flugplätzen, auf Bauernhöfen oder Wiesen.

Wo geht’s hin?

Das Ziel ist ein Vogelschutzgebiet in der Region Toskana in Italien. „Das ist der nördlichste Platz, an dem die Vögel problemlos überwintern können“, erklärt die Forscherin. Der Flug ist eine echte Herausforderung. „Man fliegt extrem dicht neben den Vögeln, sodass man die Tiere zum Teil anfassen kann“, berichtet Anne-Gabriela Schmalstieg.

Wenn alles nach Plan läuft, ziehen die Vögel mit spätestens drei Jahren wieder Richtung Deutschland, lassen sich nieder, bekommen Junge und ziehen gemeinsam mit diesen im Herbst wieder los.

Von Stefanie Paul (dpa)