„Ein Vorhang aus Rauch und Feuer“

Ich bin schockiert, sauer, traurig. Der größte Wald der Welt brennt, immer noch: der Amazonas-Regenwald in Bolivien, Peru und Brasilien.
Das ist jedes Jahr so. Das ist kein Zufall. Menschen legen die Feuer, um Platz zu schaffen für riesige Felder und Weiden für Rinder. Aber es werden immer mehr Brände und immer weniger Wald. Die Feuer breiten sich immer weiter aus.
Magische Natur
Wenn ich die Bilder sehe, erinnere ich mich mit Tränen in den Augen an meine Zeit im brasilianischen Amazonasgebiet. Es war eine einzigartige Erfahrung, bei besonderen Menschen mitten in magischer Natur. Vor zwei Jahren habe ich als Journalistin über die Menschen berichtet, die seit Generationen dort leben. Sie sind vor Jahrhunderten als Sklaven aus Afrika nach Brasilien gebracht worden, um auf Feldern zu arbeiten und im Fluss Gold zu schürfen. Heute sind sie Bauern und Fischer und wohnen in kleinen Dörfern mitten im Wald.
Jeden Tag schwimmen
Das Dorf, in dem ich wohnte, liegt an einem türkisblauen Fluss. Jeden Tag gehen die Kinder hier schwimmen. Sie haben zu Hause keine Dusche oder Badewanne und das ganze Jahr ist es sehr heiß. Aber in dem Fluss gibt es Schildkröten, riesige Fische und Krokodile! Zuerst habe ich mich nicht getraut, dann bin ich doch in das kühle Wasser gegangen. So gut!
So sieht es im Regenwald aus
Überall ist es Grün. Und bei jedem Blinzeln veränderte es sich. Die majestätischen Bäume mit Lianen, Vögeln, Affen, Faultieren. Und darüber der hellblaue Himmel mit den weißen Wolkentupfen. Ja, das muss das Paradies sein. Mit Bäumen, die so dicke Stämme haben, dass nur mindestens fünf Menschen zusammen sie umarmen können. Mit kleinen Bächen voll mit flinken Fischen und Kaulquappen. Mit Brüllaffen, die bei einem Spaziergang aufgeregt unseren Weg kreuzten. Ich bekam eine Gänsehaut. Es war das erste Mal, dass ich die schwarzen Affen in der Wildnis sah, ich kannte sie nur aus dem Zoo. Wow, hier leben sie also. Die Kinder sahen mich an. Ich hatte noch nie Affen gesehen?
Affen in der Küche
Die gibt’s hier doch überall! Jeden Tag kommen Kapuzineräffchen neugierig in die einfachen, bunten Holzhäuser und betteln um Aufmerksamkeit und Essen. Das gibt’s in der Küche, die sich neben dem Haus in einer kleinen Hütte befindet. Hier steht ein Lehmofen, auf dem immer ein Topf mit Reis und einer mit schwarzen Bohnen kochen. So kann sich jeder zwischendurch ein bisschen nehmen. Wenn es dunkel wird, essen dann alle zusammen bei Kerzenschein – und dann erwacht der Wald. Es wird richtig laut. Insekten zirpen, Frösche quaken, Brüllaffen brüllen. Vor allem nachts ist der Wald voller magischer Energie.
Der Wald brennt
Jetzt ist alles anders. Meine Freunde haben mir ein Foto geschickt und erzählt: nachts ist es jetzt hell. Die Feuer leuchten, stärker als die Glühwürmchen. Tagsüber ist es dafür dunkel. Die dicken, schwarzen Rauchwolken bleiben träge in den Baumkronen hängen. Ein richtiger Vorhang aus Feuer und Rauch. Mir fällt es schwer, mir vorzustellen, wie es dahinter aussieht. Noch sind die Menschen, Tiere und Pflanzen, die ich kennengelernt habe, in Sicherheit. Der Fluss schützt sie, die Feuer sind auf der anderen Seite. Aber sie können nicht gut atmen, haben Husten, Rauch und Ruß hängen schwer in der Luft.

Seit Wochen wüten Tausende Feuer im Amazonasgebiet und den angrenzenden Steppengebieten. Foto: Christian Niel Berlinck/ICMBio/dpa
Freiwillige vor!
Und sie haben Angst. Vor den Flammen, davor, dass sie ihr Zuhause verlieren. Eine richtige Feuerwehr gibt es hier nicht. Also versammeln sich mutige Männer und Frauen aus der ganzen Region, binden sich T-Shirts vors Gesicht und kämpfen gegen die Flammen. Mit Decken, Wassereimern, dicken Schläuchen und ganz viel Hoffnung. Bis zu meinen Bekannten sind die Feuer noch nie gekommen. Aber sie kommen immer näher. Ihre Heimat ist in Gefahr. Von dem großen Amazonas-Regenwald ist bald nicht mehr viel übrig.
Grüne Lunge brennt
Dass große Flächen des Regenwalds im Amazonasgebiet brennen, ist nicht nur für die Gesundheit der Menschen vor Ort und die Lebensräume der Tiere sehr schlecht. Besonders schlimm ist das für das Klima. Denn: Wachsende Bäume entziehen der Atmosphäre CO2 – ein Treibhausgas, das zum Beispiel Autos ausstoßen. Wenn aber viele Bäume abgeholzt oder niedergebrannt werden, steigt die CO2-Konzentration in der Luft. Das Erdklima erwärmt sich. Experten sprechen deshalb oft davon, dass mit dem Amazonas die „Grüne Lunge des Planeten“ brennt.
Von Christina Weise