Vorteil oder Nachteil?

Du hast bestimmt davon gehört: Vor etwa zwei Wochen haben sich Fußballfans von Borussia Dortmund bei einem Bundesligaspiel feindselig präsentiert: Sie haben Plakate mit beleidigenden Botschaften hochgehalten und so gegen den Verein RB Leipzig gehetzt. Als Strafe dafür muss der BVB im Spiel gegen den VfL Wolfsburg auf einen Teil seiner Zuschauer verzichten. Und zwar gleich auf eine ganze Tribüne mit knapp 25 000 Fans. Hat der BVB nun durch die Strafe einen Nachteil? Welche Rolle spielen Fans?
Die Südtribüne

Manche Fußball-Fans hängen in Stadien solche Banner auf. (Foto: dpa)
Wusstest du, wie besonders die Südtribüne im Signal-Iduna-Park ist? Sie ist 100 Meter breit, 40 Meter hoch und 37 Grad steil. Zum Vergleich: Skisprungschanzen haben eine ähnliche Neigung. Auf der Südtribüne finden fast genauso viele Zuschauer Platz wie im gesamten Stadion des Gegners Wolfsburg, nämlich 24.454. In keinem Stadion in Europa können mehr Leute nebeneinanderstehen, Fußball schauen, Fahnen schwenken und singen. Deswegen – und weil die Farbe für Borussia Dortmund steht – wird diese Fankurve auch „Gelbe Wand“ genannt.
Zwölfter Mann
Fans im Allgemeinen werden oft als der „zwölfte Mann“ einer Mannschaft bezeichnet: Sie feuern ihr Team an und jubeln. Und wenn es mal nicht so gut läuft, dann leiden sie mit ihren Idolen auf dem Rasen – und andersrum: „Spieler und Mannschaft wissen, dass sie nicht nur für sich, ihr Team oder ihren Verein spielen, sondern auch für ihre Fangemeinde. Das motiviert zusätzlich“, erklärt Swen Körner, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln.
Motivation
Fans wollen ihre Mannschaft unterstützen, vor allem natürlich ihre Lieblingsspieler. Sie wollen sie zu Bestleistungen führen. Manche Profis finden das super, wenn ihnen Tausende zujubeln. „Andere Spieler fühlen sich hingegen eher unwohl, wenn Fans ihren Namen rufen“, sagt Diplom-Psychologe Fabian Pels, ebenfalls Lehrer an der Kölner Sporthochschule. Dadurch kann sich der Spieler dann vielleicht nicht mehr konzentrieren und macht Fehler. Wenn die Zuschauer feiern, kann das also zu einer (noch) besseren Leistung führen. Muss aber nicht!
Also: ein Nachteil…?
Außerdem können Fangesänge nicht nur Einfluss auf Einzelspieler haben, sondern auf die gesamte Mannschaft. Studien haben herausgefunden, dass es nicht unbedingt ein Vorteil sein muss, wenn eine Mannschaft im eigenen Stadion – mit vielen eigenen Fans – spielt. Fabian Pels sagt, wieso: „Heimische Fans können den Druck auf die eigene Mannschaft erhöhen.“ Dadurch kann Verunsicherung entstehen. Und dann verliert ein Team möglicherweise sogar Zuhause – trotz großartiger Unterstützung der eigenen Fans.
… oder Vorteil?

Vielleicht hilft eine leere Tribüne sogar. (Foto: dpa)
Dortmund hat das größte Stadion Deutschlands. Normalerweise gibt es bei Spielen des BVB kaum freie Plätze, vor allem nicht auf der Südtribüne. Am Samstag wird nun rund ein Viertel fehlen, also anstatt 81 360 werden es 56 906 Zuschauer sein. „Es gibt aber keine Belege, dass die Zuschauerzahl Einfluss auf das Spiel und auf das Ergebnis hat“, sagt Fabian Pels. Sein Kollege Swen Körner macht Dortmund-Anhängern ebenfalls Mut: „Es ist auch denkbar, dass das Fehlen vieler Fans auf ein Team motivierend wirken kann, im Sinne einer Jetzt-erst-recht-Reaktion.“ Dann nämlich, wenn der BVB für die fehlenden Fans gewinnen möchte. Klappt das, wäre der vermeintliche Nachteil plötzlich sogar ein Vorteil!
Von Jens Kopke