Auf der Straße schlafen

Eine Nacht unter freiem Himmel zu verbringen – das kann ein richtiges Abenteuer sein. Wenn man sich das selbst aussucht. Sehr vielen Flüchtlingen auf der Insel Lesbos in Griechenland bleibt aber gerade nichts anderes übrig: Das Flüchtlingslager, in dem sie gelebt haben, ist fast vollständig abgebrannt.
Seit einigen Tagen übernachten sie unter freiem Himmel. Die Menschen haben nichts mehr, keine Zelte, keine Decken, keine Klamotten, nicht mal Essen, Trinken oder eine Toilette. Was ist dort genau passiert? Und wie soll es nun weitergehen?

Foto: Petros Giannakouris/AP/dpa
Was ist Moria?
Die Insel Lesbos gehört zu Griechenland. Sie liegt aber sehr nah an der Türkei – nur etwa 15 Kilometer Meer trennen die Insel und die Türkei. Viele Menschen, die vor Krieg oder Gewalt in Ländern wie Syrien, Irak oder Afghanistan flüchten, kommen erstmal in der Türkei an. Von dort versuchen sie dann mit Booten auf die Insel Lesbos zu kommen. Denn Griechenland gehört zur Europäischen Union – und die Menschen hoffen, dass sie in Europa Hilfe bekommen.
Weil so viele Flüchtlinge auf Lesbos ankommen, wurde dort vor fünf Jahren das Lager Moria gebaut. Eigentlich ist in dem Lager nur Platz für knapp 3000 Personen, zeitweise lebten dort aber bis zu 20 000 Menschen. Zuletzt waren es etwa 12 500. Moria ist das größte Flüchtlingslager in Europa.
Was ist passiert?
Weil das Flüchtlingslager so überfüllt ist, war es dort schon immer sehr chaotisch. Doch das Coronavirus hat die Lage noch verschlimmert: Dort gibt es nicht genug Platz, um Abstand zu halten, und nicht genug Seife und Wasser, um sich die Hände ordentlich zu waschen. Es gibt auch nicht genügend Ärzte und Medikamente. In der vergangenen Woche kam heraus, dass sich mehrere Menschen mit dem Virus angesteckt hatten. Deswegen wurde das Lager abgeriegelt – niemand durfte mehr raus- oder reingehen. Viele Flüchtlinge hatten große Angst, sich anzustecken. Deswegen sollen einige von ihnen in der Nacht zu Mittwoch absichtlich Feuer gelegt und Zelte angezündet haben. Das sagt zumindest die griechische Regierung. Ob das wirklich stimmt, weiß man nicht.

Foto: -/Migrationsministerium/dpa
Und jetzt?
Klar ist: Durch das erste Feuer und noch weitere Brände ist das Lager fast vollständig zerstört worden. Die Menschen sind in Wälder und auf die Straßen rund um das Lager geflüchtet, darunter sind auch Familien mit Kindern. Die wenigen Dinge, die sie noch besaßen, sind verbrannt. Den Flüchtlingen geht es sehr schlecht. Deutschland und andere Länder wollen rund 400 Jugendliche, die ohne ihre Eltern geflüchtet waren, aufnehmen. Doch dann sind immer noch etwa 12 000 Menschen auf Lesbos.
Wie geht es weiter?
Das ist noch nicht ganz klar. Manche Leute sagen: Wenn es den Menschen so schlecht geht, warum nehmen wir sie nicht einfach auf? Der Grund dafür ist Politik: Die Bundesregierung möchte, dass es eine Lösung für ganz Europa gibt, also dass jedes Land in der Europäischen Union hilft, und eine bestimmte Anzahl an Flüchtlingen aufnimmt. Und dass nicht immer nur bestimmte Länder wie Deutschland oder Frankreich diese Aufgabe übernehmen. Doch manche Länder sagen: Nein, das machen wir nicht. Schon seit vielen Jahren streiten sich die EU-Staaten darüber – und bisher konnten sie sich nicht einigen.
Die Bundesregierung will jetzt Hilfsmittel nach Moria schicken. Auch Hilfsorganisationen vor Ort unterstützen die Menschen. Angesichts der schlimmen Lage haben zehn deutsche Städte gesagt, unter anderem auch Köln: Wir wollen Flüchtlinge bei uns aufnehmen. Doch das muss die Bundesregierung erst noch erlauben.
Von Angela Sommersberg