Wie fühlt sich eine Behinderung an?

An der Grundschule Pfälzer Straße lernen Kinder, wie sich ein Leben mit einer Behinderung anfühlt. (Foto: Michael Bause)
An der Grundschule Pfälzer Straße lernen Kinder, wie sich ein Leben mit einer Behinderung anfühlt. (Foto: Michael Bause)

Wie ist es eigentlich, im Rollstuhl zu sitzen, blind zu sein oder nicht hören zu können? Die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Pfälzer Straße (Nähe Barbarossaplatz) wissen das jetzt. „Ein ganz normaler Tag“ heißt der besondere Projekt-Tag, an dem die Kinder an sieben Stationen für jeweils 25 Minuten ausprobieren können, wie sich das Leben mit einer Behinderung anfühlt. Nämlich ungewohnt, schwierig und ganz anders. Zumindest am Anfang.

Fragen statt Hänseln

Wie spricht man mit den Händen? (Foto: Michael Bause)

Wie spricht man mit den Händen? (Foto: Michael Bause)

Ziel des Tages ist, dass die Kinder das Thema Behinderung besser verstehen können. „Denn schlimmer als ihre Einschränkung sind für viele die Hänseleien der anderen“, sagt Christoph Schäl. Er arbeitet bei der Weik-Stiftung, die den Projekt-Tag an verschiedenen Schulen organisiert. Sein Tipp: „Wenn ihr Menschen mit Beeinträchtigung seht, verurteilt sie nicht, sondern fragt sie.“

Liegestütze mit Übergewicht

Die verschiedenen Stationen werden von 16 ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut. „Mit so viel Gewicht Liegestützen zu machen, ist ganz schön schwer“, findet Meo, der gerade eine Weste sowie Arm- und Knöchelmanschetten mit insgesamt zehn Kilogramm Zusatzgewicht am Körper trägt. An dieser Station spüren die Kinder nach, wie sich das Leben als Übergewichtiger anfühlt.

Zur gleichen Zeit berichtet Marisa anderen Schülern von ihrem Leben als Blinde: „Meine zehn Finger sind meine Augen. Und ein Farberkennungsgerät hilft mir morgens beim Kleideranziehen. Aber ich liebe das Leben viel zu sehr, um mich von meiner Erblindung unterkriegen zu lassen.“

Unten auf dieser Seite stellen wir dir fünf Stationen vor. Organisiert und finanziert wird das Projekt „Ein ganz normaler Tag“ von der „Elisabeth und Bernhard Weik-Stiftung“. Elf Schulen aus Köln und dem Umland nehmen in diesem Jahr an dem Projekt teil.

Weitere Informationen unter: www.gemeinsam-csc.de

Mehdi, 10 Jahre

Mehdi (Foto: Michael Bause)

Mehdi (Foto: Michael Bause)

Ich hätte nicht gedacht, dass das Leben so schwierig ist, wenn man blind ist. Eine blinde Frau hat uns heute erzählt, wie sie kocht und einkaufen geht. Und ich glaube, dass es ganz schön schwer ist, die Blindenschrift zu lernen. Bei dem Parcours mit verbundenen Augen hatte ich am Anfang ein bisschen Angst zu stolpern. Am Ende des Weges bin ich sogar mit einem anderen Jungen zusammengestoßen.

Emilia, 10 Jahre

Emila (Foto: Michael Bause)

Emilia (Foto: Michael Bause)

Ich habe bei dem Projekttag heute ziemlich viel Neues gelernt. Zum Beispiel, dass das gelbe Zeichen mit den drei Punkten gar nicht für „blind“ steht, sondern ganz allgemein für „schwerbehindert“. Und bei dem Parcours, den wir mit verbundenen Augen laufen mussten, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben einen richtigen Blindenstock in der Hand. Dieses Gefühl war sehr interessant.

ÜBERGEWICHT

Etwa zehn Kilogramm zusätzlich tragen die Kinder bei dieser Station am Körper. Ziel ist, zu spüren, wie sich ein Leben mit Übergewicht anfühlen kann. Ganz schön schwer, findet Meo (hier im Bild). Mit einer Gewichtsweste und schweren Arm- und Fußmannschetten versuchen die Kinder, zu rennen, zu toben oder sich an einer Stange entlang zu hangeln.

BLINDENSCHRIFT

Zwei blinde Frauen erklären den Schülerinnen und Schülern an dieser Station die Braille-Schrift und erzählen über ihren Alltag. Der Tastsinn ersetzt bei ihnen den Sehsinn. Marisa greift in einen Korb und erfühlt sekundenschnell: einen Tannenzapfen, ein Plastikpferd und einen Spielzeug-Gorilla. Kinder können an dieser Station auch Spiele für Blinde testen.

ROLLSTUHL

Ganz schön schwer sich mit so einem Rollstuhl fortzubewegen! (Foto: Michael Bause)

In zwölf Rollstühlen üben die Kinder in der Turnhalle fahren, drehen und bremsen. Erst werden sie von einem Partner-Kind geschoben, dann düsen sie selbst durch die Halle. „Und wenn sie demnächst ein Kind im Rollstuhl treffen, haben sie einen Anknüpfungspunkt. Sie können erzählen, dass sie auch schon mal in einem Rolli saßen“, erklärt Ehrenamtlerin Tanja.

BLINDENSTOCK

An dieser Station bewältigen die Kinder einen Parcours – mit verbundenen Augen und einem Blindenstock in der Hand. Braune Kästen aus der Turnhalle dienen dabei als Hindernisse. Vorher erklären Mitarbeiter den Kindern, dass sie den Stock am besten in der Form eines Halbkreises vor sich her bewegen. So können sie beim Gehen am meisten ertasten.

GEBÄRDENSPRACHE

Bei dieser Station lernen die Kinder Gebärden für Gehörlose kennen. Große Bewegungen stehen für laut, ganz kleine fürs Flüstern. Beim Applaus drehen sich die Hände in der Luft. „Taubstumm“ ist übrigens die falsche Bezeichnung und viele Gehörlose empfinden sie als Schimpfwort. Denn die meisten können sprechen, sie trauen sich nur manchmal nicht.

VON CHRISTINA RINKL