Ein besonderes Gespann

Ein besonderes Gespann
Serat und Anahita Bierekofen in der Stadtteilbibliothek Kalk. Bild: Markus Düppengießer

Projekt vermittelt Grundschulkindern einen Paten oder eine Patin

Vor zwei Jahren kam Serat mit seiner Familie aus Afghanistan nach Köln. Er sprach kaum Deutsch, ging aber sofort in eine normale Grundschulklasse. Unterstützung bekam der heute Elfjährige durch ein besonderes Projekt, das sich „Pat:innen für die außerschulische Begleitung von Grundschulkindern mit Fluchterfahrung“ nennt. Fast jeden Samstagnachmittag verbringt er mit seiner Patin Anahita Bierekofen. Die heute Erwachsene kam als Kind aus dem Iran nach Deutschland. Ihr macht das Projekt so viel Spaß, dass sie nicht nur Serats Patin blieb, als er zur Realschule wechselte. Sie kümmert sich auch um Ulfat, Serats siebenjährigen Bruder. Mal ist sie mit einem der Jungs unterwegs, mal mit beiden. Duda hat sich mit Serat und seiner Patin unterhalten.

Serat schmökert gerne in der Bibliothek. Bild: Markus Düppengießer

Lesen

Regelmäßig gehen Serat und Anahita Bierekofen in die Stadtteilbibliothek Kalk. Man kann hier bequem schmökern. „Am liebsten lese ich ‚Internat der bösen Tiere‘“, sagt er, eine Bücherreihe mit bislang sechs Bänden. „Im November erscheint der siebte Teil.“ Wenn Serat einzelne Wörter nicht versteht, fragt er seine Patin. In der Bücherei gibt es auch tolle Spiele. Im Innenhof steht ein übergroßes „Vier Gewinnt“. An einem Spieletisch im ersten Stock rechnet Serat gerne mit Ulfat um die Wette. Und es gibt verschiedene Quizspiele. Das Hauptstädteraten fällt Anahita Bierekofen leichter. „Aber beim Kinderbücherquiz weiß er manchmal mehr. Märchen wie ‚Schneewittchen‘ hab ich nie gelesen.“

Zu Besuch im Rheinenergie-Stadion. Bild: Ralph Bierekofen

Spielen

Das Patenprojekt soll ausdrücklich kein Nachhilfeunterricht sein. „Vor allem spielen wir“, sagt Anahita Bierekofen. Zum Beispiel „Tabu“, ein Spiel, bei dem man Begriffe erklären muss, ohne vorgegebene Tabuwörter zu verwenden. Eigentlich. „Wenn ich mit Serat und Ulfat spiele, dann dürfen die alles sagen. Das Erklären ist schwer genug.“ Die Jungs setzen den ganzen Körper ein, sagt Anahita Bierekofen. „Und beim Sprechen haben sie keine Angst, Fehler zu machen.“ Nach den Sommerferien ist Serat auf die Realschule gewechselt. „Die Grundschullehrerin hätte nichts dagegen gehabt, wenn er aufs Gymnasium gegangen wäre“, sagt seine Patin. Das Gespann besucht Spielplätze in ganz Köln. Sie entdecken auch das Umland: Im Phantasialand waren sie schon, im Museum Koenig in Bonn und im Japanischen Garten in Leverkusen.

Fußball

Etwas mehr noch als Bücher liebt Serat den Fußball. Er war mit Bruder Ulfat und der Patin zweimal im Rhein-Energie-Stadion. Aber am liebsten spielt er selbst, als rechter Stürmer. Lange suchte seine Patin ihm einen Verein, vor Kurzem hatte er ein Vorspielen. Der Trainer sagte vorher: Wir geben euch in ein paar Wochen Bescheid, ob das was wird. „Dann sah er Serat spielen“, sagt Anahita Bierekofen. „Und hat am selben Tag entschieden, dass er im Team ist.“ Inzwischen kickt auch die Patin gerne mit ihren Jungs. „Davor hab ich nie gegen einen Ball getreten.“ Sie hat einiges gelernt, so Serat: „Sie ist fast so gut wie ich in meinem ersten Jahr in Deutschland.“

Fußball als große Leidenschaft. Bild: Sardar Quraishi

Das Projekt

Für Kinder, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, ist der Besuch der Grundschule oft mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, viele beherrschen die deutsche Sprache nicht. Diesen Kindern hilft dieses Projekt, bei dem Kölner Freiwilligen Agentur und Kölner Flüchtlingsrat zusammenarbeiten. Es vermittelt ihnen Patinnen und Paten, die sie ein Jahr lang ehrenamtlich begleiten. Dafür muss man mindestens 18 Jahre alt sein und drei bis fünf Stunden Zeit in der Woche für sein Patenkind haben. Was das Patengespann unternimmt, entscheiden es selbst. In regelmäßig stattfindenden Workshops wird man auf die Aufgabe vorbereitet.

Von Markus Düppengießer