Erich Kästners Geheimnis

Das doppelte Lottchen, Das fliegende Klassenzimmer, Emil und die Detektive. Hast du eines dieser Bücher gelesen? Oder den Film gesehen? Diese Geschichten sind ziemlich bekannt. Ausgedacht hat sie sich der Schriftsteller Erich Kästner. Und zwar schon vor langer Zeit. Gestorben ist er heute vor 40 Jahren, am 29. Juli 1974. Was ist so toll an seinen Büchern? Das haben wir Sebastian Schmideler gefragt. Er arbeitet an einer Universität und kennt sich gut mit Erich Kästner und dessen Büchern aus.
Können Sie sich noch an das erste Buch erinnern, das Sie von Erich Kästner gelesen haben?
Sebastian Schmideler: Aber ja! Das war „Emil und die Detektive“. Ich war damals zehn Jahre alt. Mit dem Buch ist bei mir gleich das Kästner-Fieber ausgebrochen. Es gab damals ein Prospekt, in dem alle Bücher von Erich Kästner aufgelistet waren. Ich hab dann überall Kreuzchen gemacht, weil ich die unbedingt noch lesen wollte.
Was hat Ihnen so gefallen?
Sebastian Schmideler: Vor allem die Sprache. Die Kinder in den Büchern haben gesprochen, wie eben Kinder auf der Straße sprechen. Das war damals sehr ungewöhnlich. Und es war auch ziemlich witzig. Da sagen die Kinder Sachen wie „Das ist knorke“ oder „Ich bin gespannt wie ein Regenschirm“. Das hat mir gefallen.
Sie haben sich ja auch als Wissenschaftler mit den Büchern von Erich Kästner beschäftigt. Was ist so besonders daran?
Sebastian Schmideler: Erich Kästners Geschichten waren ganz anders als das, was es damals sonst für Kinder zu lesen gab. Zum Beispiel waren die Kinder in vielen anderen Büchern immer sehr brav. Höchstens am Anfang der Geschichte waren sie mal ungehorsam. Aber spätestens am Ende hatten die Erwachsenen die Kinder dann zurechtgebogen. Bei Erich Kästner war das anders. Die Kinder in seinen Büchern sind sehr selbstständig, sie erziehen sich gegenseitig.
Wie ist er denn auf seine Geschichten gekommen?
Sebastian Schmideler: Erich Kästner lebte lange in Berlin. Es gab Radio, Tageszeitungen, den vielen Verkehr – und mittendrin in dieser Großstadt lebten Kinder. Kästner schrieb auf, was diese Kinder erlebten. In anderen Büchern fanden Abenteuer damals nur in fernen Ländern statt. Erich Kästner entdeckte das Abenteuer vor der Tür. Im Buch „Emil und die Detektive“ jagt eine Gruppe von Kindern zum Beispiel einen Dieb quer durch Berlin.
Viele seiner Bücher wurden verfilmt. Manche Kinder heute kennen wohl die Filme besser als die Texte. Was würde Erich Kästner dazu sagen?
Sebastian Schmideler: Dass nicht mehr so viele Bücher gelesen werden, hätte er bestimmt bedauert. Aber ich glaube, er wäre mit den Kindern zufrieden, weil sie heute so selbstbewusst sind. Und weil für sie auch das Leben in einer Großstadt selbstverständlich ist. Die vielen technischen Fortschritte hätte er bestimmt nicht verteufelt. Er war immer sehr modern.
Von dpa