Wenn Jungs Ballett tanzen
Mats und Richard laufen durch den hellen Raum mit den großen Spiegeln an der Wand und sammeln Pilze. In den Händen tragen beide einen großen Bauklotz aus Kork – das ist ihr Körbchen. Die Pilze, die sie sammeln, sind aber nicht echt. Es sind Mädchen, die die Pilze darstellen. Sie tragen weiße Strumpfhosen und Ballettkleidchen. Wir sind zu Besuch bei einer Ballettstunde im Tanzstudio 60/30 in Köln-Nippes, die Kinder üben gerade ihren Tanz für die große Aufführung am Wochenende. Dass hier zwei Jungs mittanzen, ist außergewöhnlich. Wir haben mit Mats und Richard gesprochen.
Warum tanzen die beiden Jungs Ballett?
Manchmal können die Mädchen einem auch mal zu viel werden, aber ansonsten findet Richard seine Truppe super! (Bild: Thilo Schmülgen)
Mädchen tanzen Ballett, Jungs spielen Fußball. „Stimmt nicht!“, sagt Mats. Der Achtjährige tanzt seit drei Jahren Ballett. Einmal die Woche hat er Training. „Meine große Schwester tanzt auch hier und hat gesagt, ich soll mal mitkommen“, sagt er. Dann hat ihm das Tanzen so viel Spaß gemacht, dass er geblieben ist.
So ähnlich war es bei Richard (8) auch. Er wollte schon im Kindergarten Ballett tanzen, hat dann aber erst mit sechs Jahren angefangen. Ein Jahr nach Mats, die beiden kannten sich vorher nicht und gehen auch auf unterschiedliche Schulen. Als Richard in die Gruppe kam, hat Mats sich sehr gefreut. „Vorher hab ich mich als einziger Junge doch ganz schön alleine gefühlt“, sagt Mats. In der Gruppe tanzen nämlich sonst nur noch elf Mädchen.
Wie ist es mit den Mädels?
Ist es nicht anstrengend, mit so vielen Mädels in der Gruppe zu sein? Mats und Richard schauen sich an, dann nicken sie langsam und geben zu: „Ja, die Mädchen nerven schon manchmal.“ Die Mädchen wären einfach so laut. Das merkt man auch als Lehrerin Analena Schwarz mit den Kindern bespricht, welche Kostüme sie bei der Aufführung tragen werden. Die beiden Jungs bekommen blau-weiß gestreifte Hosen und Mützen, die sie still anprobieren.
Als die Mädchen aber ihre weißen Glitzer-Kleider und die roten Hüte sehen, die sie als Pilze tragen sollen, sind sie völlig aus dem Häuschen, quietschen und kichern. Lehrerin Analena muss die Mädels beruhigen. Erst danach können sie den Tanz erneut üben – diesmal in Kostümen. Mats und Richard machen oft andere Bewegungen als die Mädchen: Erst springt die eine Gruppe Mädchen, dann die zweite, dann kriechen die beiden Pilz-Sammler zwischen den Reihen hindurch.
Und im Unterricht?
Zwei Jungs – so viele Mädchen! Wie fühlt sich das an, wenn Jungs Ballett machen? (Foto: Thilo Schmülgen)
Im Tanz haben die beiden Jungs besondere Rollen – im Unterricht hingegen nicht. „Wir machen die gleichen Übungen wie die Mädchen“, sagt Mats. Beim Aufwärmen müssen alle den Kreuzschritt im Takt der Musik machen, an der Stange stehen oder die Beine dehnen. „Der Teil an der Stange ist am anstrengendsten“, sagt Mats. „Vor allem, wenn wir das Bein auf die Stange legen müssen, um es zu dehnen.“ Das findet Richard okay.
„Das Schlimmste ist, immer die Füße strecken zu müssen“, sagt Richard. Ballett sei überhaupt ein anstrengender Sport, finden beide. „Nach der Stunde bin ich immer so richtig durstig“, sagt Richard. Dass nur so wenige Jungs Ballett tanzen, stört die beiden überhaupt nicht. Mit ihren Freunden reden sie nicht darüber, es ist nicht wichtig. Ach und übrigens: Fußball spielen Mats und Richard auch – auf dem Schulhof mit ihren Klassenkameraden.
Die Aufführung des Tanzstudios 60/30 findet am Samstag (17 Uhr) und am Sonntag (14 Uhr) im Bergischen Löwen in Bergisch Gladbach statt. Die Karten kann man vor der Aufführung kaufen, sie kosten 17 Euro für Erwachsene und 13 Euro für Kinder.
VON ANGELA SOMMERSBERG
