Kölner Piraten

Kölner Piraten
Foto: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Kennst du Piraten? Klar, oder? Mit großen Schiffen segeln sie übers Meer, auf der Suche nach Abenteuern und Schätzen.

Foto: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Was du vielleicht noch nicht weißt: Auch in Köln hat es Piraten gegeben. Die Edelweißpiraten. Das ist lange her, ungefähr 80 Jahre. Die Edelweißpiraten waren aber keine Erwachsenen, sondern Jugendliche. Manche von ihnen waren erst 14 Jahre alt. Sie trafen sich in ganz Köln vor allem in den Parks wie dem Volksgarten, spielten Gitarre und sangen Lieder. Die Kölner Jugendlichen waren aber keine Piraten, wie ihr sie aus Büchern oder Filmen kennt. Denn sie waren keine Verbrecher und sie raubten auch keine anderen Schiffe aus. Doch wie die echten Piraten liebten sie die Freiheit. Sie waren auch mutig, weil sie ihre Meinung sagten, sich für Schwächere einsetzten und sich nicht vorschreiben ließen, was sie anziehen sollen oder mit wem sie befreundet sind. Sie wollten anders sein als andere. Aber warum war ihnen das so wichtig?

Das Dritte Reich

Im Jahr 1942 gründeten einige Jungs heimlich in einer Kneipe in Köln-Nippes den „Club der Edelweißpiraten“. Zu dieser Zeit war Deutschland ein ganz anderes Land als heute. Man nannte es das Dritte Reich. An seiner Spitze stand der Diktator Adolf Hitler, der alles bestimmen wollte. Die Zeit von 1933 bis 1945, in der er an der Macht war, nennt man Nationalsozialismus. Er ließ viele Menschen, die anderer Meinung waren als er, oder nicht machten, was er wollte, einsperren und auch umbringen. Und er begann einen großen Krieg gegen andere Länder Europas, der von 1939 bis 1945 dauerte und der Zweite Weltkrieg heißt. Die Nationalsozialisten wollten von Kindern und Jugendlichen damals vor allem eins: dass sie gehorchten. Sie sollten alle bei der Jugendorganisation „Hitlerjugend“ mitmachen, die strikt nach Jungen und Mädchen getrennt war und in der es sehr streng zuging.

Foto: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Gefährlicher Protest

Die Edelweißpiraten mochten Hitler nicht. Viele von ihnen wollten ihm und seinen Nationalsozialisten nicht gehorchen, wie viele der Erwachsenen das damals taten. Einige der Jugendlichen trauten sich sogar laut zu sagen, dass sie Hitler furchtbar fanden und nicht bei der Hitlerjugend mitmachen wollten, obwohl das sehr gefährlich sein konnte. Aber die Edelweißpiraten waren mutig. Sie fielen auch auf, weil sie etwas verrückte Kleidung trugen und oft lange Haare hatten. Ihr Symbol war das Edelweiß, denn diese Blume steht für die Freiheit. Als der Zweite Weltkrieg immer schlimmer und das Leben in Köln sehr schwer wurde, versuchten manche Jugendliche, etwas gegen Adolf Hitler und seine Gefolgsleute zu tun. Sie schrieben Friedensbotschaften auf Häuserwände und stahlen Brot für Schwache und Kranke. Für ihren Widerstand wurden sie von der Hitler-Polizei verfolgt. Manche wurden verhört oder kamen ins Gefängnis.

Frank Maria Reifenberg. Foto: Martina Goyert, Dumont-Archiv

Buch über die Piraten

Der Kölner Schriftsteller Frank Maria Reifenberg hat das Jugendbuch „Wo die Freiheit wächst“ über die Kölner Edelweißpiraten geschrieben. Vier Jahre hat er daran gearbeitet und dafür viele alte Briefe, Tagebücher und Berichte von Menschen gelesen, die damals dabei waren. „Es waren unangepasste Jugendliche, die wie die jungen Menschen von heute vor allem einfach frei leben wollten. Sie hatten eine eigene Vorstellung von ihrem Leben und wollten sich das von den Nationalsozialisten nicht vorschreiben lassen. Zu deren Drill sagten viele: Da haben wir gar keine Lust drauf.“ Anstatt in Uniform das Marschieren zu üben, trafen sich die Jungs und Mädchen lieber in Parks, sangen Lieder oder unternahmen gemeinsam Wanderungen und Campingausflüge ins Bergische Land oder ins Siebengebirge.

Links im Bild: Gertrud Koch. Foto: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Tolles Mädchen

Eine sehr bekannte Kölner Edelweißpiratin war Gertrud Koch. Sie ist 92 Jahre alt geworden und erst vor vier Jahren gestorben. Während ihrer Zeit bei den Edelweißpiraten wurde Gertrud „Mucki“ genannt. Der Spitzname sollte sie schützen, damit keiner von der Hitler-Polizei ihren echten Namen kannte. Gertrud war mutig: Sie brach heimlich in Lebensmittellager ein, um Menschen, die sich vor Hitler verstecken mussten, mit Essen zu versorgen. Außerdem schrieb sie Sprüche gegen Hitler an Häuserwände, was verboten war. Als sie 17 Jahre alt war, kam sie zum ersten Mal ins Gefängnis. Weil sie lange dort bleiben musste, sang sie Lieder gegen die Angst. Ein Lied hieß „Edelweißpiraten sind treu“. Später konnte sie mit ihrer Mutter aus Köln fliehen und lebte bis zum Ende des Kriegs versteckt auf einem Bauernhof.

Edelweißpiratenfestival 2019. Foto: Jan Krauthäuser

Mut ist auch heute wichtig

Die Lieder, die Gertrud und ihre Freunde sangen, kann man heute noch beim Edelweißpiratenfest hören. Es wird seit 15 Jahren im Sommer im Kölner Friedenspark gefeiert. Dort dürfen alle Kinder mit ihren Eltern hinkommen. Es wird gegrillt und Musiker spielen die Lieder der Edelweißpiraten vor. Auch einige Kölner Straßen sind nach Kölner Edelweißpiraten benannt, zum Beispiel die Bartholomäus-Schink-Straße. Es ist auch heute noch wichtig, so an den Mut der Edelweißpiraten zu erinnern und sich für Menschen, die von anderen ausgegrenzt werden, starkzumachen. Das erlebt auch Frank Maria Reifenberg, wenn er in Schulen über die Edelweißpiraten spricht: „Da kommt schnell das Thema widerständisches Verhalten hoch, den Mut haben, die eigene Meinung zu sagen. Viele denken da an die ‚Fridays for Future’-Aktionen, bei denen Jugendliche für das Klima protestieren. Wie die Edelweißpiraten zeigen sie so den Erwachsenen: Man kann etwas tun.“

Von Doreen Reeck