Auf die Plätze, fertig … Lies!

Auf die Plätze, fertig … Lies!
Foto: privat

Abends im Bett ein paar Seiten lesen? Das ist zu schaffen. Aber vor einer großen Gruppe von Menschen einen Text laut vorlesen? Das ist schon was anderes.

Selin hat sich trotzdem getraut – und sogar gewonnen! Damit gehört sie zu den 18 besten Vorlesern in ganz Nordrhein-Westfalen. Heute wird sie wieder lesen – und zwar beim Landesentscheid des Vorlese-Wettbewerbs in Düsseldorf. Wir stellen dir Selin vor.

Was ist der Wettbewerb?

Organisiert wird der Vorlesewettbewerb von einem Verein, der viele Buchhändler und Verlage in Deutschland vertritt. Schon seit 60 Jahren sucht dieser Verein den besten Vorleser oder die beste Vorleserin aus den sechsten Klassen in ganz Deutschland. Aber wie findet man so jemanden? Selin erzählt: „Los ging es im Deutschunterricht. Jeder, der wollte, durfte vorlesen. Wir haben dann abgestimmt, wer die Klasse vertreten darf.“ Selin und ein Junge aus ihrer Klasse traten dann gegen die Vorleser aus den Parallelklassen an. Selin gewann. Beim Kreisentscheid trat Selin gegen Sieger von anderen Schulen an. Und gewann wieder. Dann kam der Bezirksentscheid. Auch hier konnte Selin sich durchsetzen. „Mit jedem Gewinn bin ich nur noch ehrgeiziger geworden“, erzählt Selin. Heute tritt sie gegen 17 andere Schüler aus Nordrhein-Westfalen an, die es genauso weit geschafft haben wie sie. Für den Gewinner geht es Ende Juni nach Berlin – hier wird der Sieger für ganz Deutschland gekürt.

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Was muss man machen?

Vorlesen natürlich! Und zwar immer drei Minuten lang – aber in jeder Runde aus einem anderen Buch. Das durfte Selin sich selbst aussuchen. Bisher entschied sie sich für „Momo“ von Michael Ende, „Die Kinder aus Bullerbü“ von Astrid Lindgren und „Das Tagebuch der Anne Frank“. Und heute? „Heute lese ich aus »Die Stille meiner Worte« von Ava Reed.“ Das Jugendbuch hat sie sich extra neu gekauft. „Darin geht es um Hannah, deren Zwillingsschwester gestorben ist. Nach dem Tod kann Hannah gar nicht mehr sprechen und wird in ein Camp gebracht, wo die Leute versuchen, ihr zu helfen.“ Lange hat Selin überlegt, welche Stelle aus dem Buch sie vorlesen möchte. „Ich werde von der Beerdigung lesen. Dort ist Hannah sehr verzweifelt und schreit auch. Ich dachte, das könnte ich beim Vorlesen gut umsetzen.“

Worauf muss man achten?

Selin weiß nämlich sehr genau, wie man sich richtig vorbereitet. „Als erstes lese ich die Szene leise, dann laut. Und dann übe ich mit meiner Mutter.“ Die sagt ihr auch deutlich, wenn ihr etwas nicht gefällt. Das findet Selin aber gut. „Sonst werde ich ja nicht besser.“ Auch ihrem fünfjährigen Bruder liest Selin manchmal vor. Und was ist das größte Problem? „Ich lese immer viel zu schnell. Es dauert, bis ich ein gutes Tempo gefunden habe.“

Für heute hat sie sich vorgenommen, lebendig zu lesen, gut zu betonen und auch das Publikum mal anzugucken. „Als ich das zuletzt mal gemacht habe, habe ich aber die Stelle verloren, an der ich gerade war“, erzählt sie und lacht. „Zum Glück hat das keiner gemerkt.“ Schon seit Tagen denkt sie ständig über den Wettbewerb nach. „Ich versuche dann, mich zu beruhigen und lese die Szene noch mal.“ Los geht es heute um zwölf Uhr. Dann wird Selin nicht nur für die Jury lesen, sondern auch für bekannte Leute. Zum Beispiel für Armin Laschet, den Ministerpräsidenten von NRW. Und Selin? Die ist natürlich total aufgeregt.

Steckbrief

  • Name: Selin
  • Alter: 12
  • Wohnort: Wesseling
  • Schule: Käthe-Kollwitz-Gymnasium, Klasse 6
  • Hobbies: Lesen, Singen, Klavier spielen, Taekwondo


Von Angela Sommersberg