Feiern als Unterrichtsfach

Feiern als Unterrichtsfach
Medi in der Aula der Grundschule GGS Antwerpener Straße

Tosender Applaus schallt durch die Aula der Grundschule GGS Antwerpener Straße. Vier Mädchen aus der Klasse 4a stehen grinsend auf der Bühne und verbeugen sich.

Sie haben soeben die Bühne gerockt mit einer selbst ausgedachten, sehr coolen Choreographie zu dem Lied „Hey Baby“. Das Publikum ist begeistert und fordert im Sprechchor: „Zu-ga-be, Zu-ga-be!“.

Es ist Freitag, erste Schulstunde. Heute ist Wochenfeier. Die Aula ist voll, die Anwesenheit Pflicht. Jedenfalls für alle Schüler und alle Lehrer der GGS Antwerpener Straße. Auch viele Eltern sind gekommen, sogar ein paar Omas und Opas sieht man im Publikum. Es wird gelacht, gesungen, gestaunt, geklatscht.

An diesem Tag stehen zum ersten Mal auch die Erstklässler der Schule auf der Bühne und tragen den Anlaut-RAP vor. Ein Musikstück, das hier seit jeher für alle Erstklässler der Einstand in die Wochenfeier ist. Der Beifall des Publikums ist riesig, und die Kinder der Klassen 1a und 1b auf der Bühne sind sehr stolz.

Für den nächsten Auftritt stellt ein Schüler den „Erzählsessel“ auf die Bühne. Das ist ein großer Korbsessel. Darin sitzen heute nacheinander drei Kinder aus der 3c, die eine selbstgeschriebene Geschichte, ein Gedicht und einen Sachtext mit Tipps zur Haustierpflege von Hamstern vortragen. Das Publikum hört aufmerksam zu und belohnt die Akteure mit einem kräftigen Applaus.

Danach sind die Schüler der Klasse 3b dran. Sie stellen ihr Graffiti-Projekt aus dem Kunstunterricht vor. Das Mikrofon wird von Kind zu Kind weitergereicht und man erfährt eine Menge Dinge über Graffiti, über die Geschichte dieser Kunstrichtung und wie die Schüler der Klasse ihre eigenen Bilder hergestellt haben. Zum Schluss werden alle Kunstwerke hochgehalten, so dass alle Zuschauer sie gut sehen können. 

Die Wochenfeier dauert 45 Minuten und ist fester Bestandteil des Unterrichts an der Grundschule im Belgischen Viertel. Erfunden und über viele Jahre geprägt und moderiert wurde die Wochenfeier von ihrem ehemaligen Schulleiter, dem Musiker und Akkordeonspieler Wolfgang Jaegers.

Inzwischen planen und moderieren die Schüler ihre Wochenfeier abwechselnd selbst. Die Wochenfeier und ihre Bühnenshow machen sehr großen Spaß. Es ist aber auch etwas Arbeit, denn nicht nur die einzelnen Auftritte müssen vorbereitet und geprobt, sondern auch das Programm und die Moderation müssen innerhalb einer Woche zusammengestellt und organisiert werden. Das übernimmt von Woche zu Woche immer eine andere Klasse. In dieser Woche erledigten das die Schüler der Klasse 3c.

Dafür wurde zunächst in allen anderen Klassen nachgefragt, ob einzelne Schüler oder eine gesamte Klasse etwas vormachen möchten. Das kann alles Mögliche sein: Lernplakate oder Projekte aus dem Sachkundeunterricht vorstellen, kleine Theaterstücke, Tänze, Kunststücke vorführen, eigene Geschichten erzählen oder Gedichte aufsagen. Nicht selten singen Schüler oder Schülergruppen Lieder vor, oder es werden Musikstücke auf Instrumenten vorgespielt. Neuerdings hat die Schule sogar eine Schulband.

Karl und Lotte aus der Klasse 3c sind diesmal die Moderatoren. Sie überlegen sich dafür die Ansagen und die Begrüßung. Außerdem wählen sie Lieder aus, die von allen gemeinsam gesungen werden. Die Liedtexte dazu werden mit einem Overheadprojektor an die Wand geworfen, damit jeder gut mitsingen kann.

Auch ich war von der ersten bis zur vierten Klasse Schülerin dieser Schule. Und auch ich bin auf der Wochenfeier unzählige Mal aufgetreten. Ich habe dort gelernt, ins Mikrofon zu sprechen, ich habe mich getraut vor einem großen Publikum zu singen oder etwas auf meiner Geige vorzuspielen. Vor allem habe ich gelernt und erlebt, vor vielen Leuten zu sprechen und dass es nicht schlimm ist, wenn man vor lauter Aufregung mal seinen Text vergisst oder seinen Einsatz verpasst. Typisch für die Wochenfeier ist auch, dass niemand ausgelacht wird, wenn er mal nicht mehr weiß, was er sagen soll. Denn jeder Schüler dieser Schule weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, auf dieser Bühne vor einem großen Publikum zu stehen. Wer lieber nicht ins Mikrofon sprechen möchte oder nicht so gerne in der ersten Reihe auf der Bühne steht, der hält zum Beispiel eines der Lernplakate in die Luft oder hilft bei der Beschaffung von Gegenständen, die auf der Bühne gebraucht wurden. Und sogar das Publikum hat eine Aufgabe bei so einer Wochenfeier: Es muss zuhören, leise sein, nach manchem Vortrag Quizfragen beantworten, bei den Liedern mitsingen und natürlich applaudieren.

Das größte und schönste jedoch an dieser Wochenfeier waren für mich die Lieder, die alle Schüler gemeinsam so laut singen, dass man eine Gänsehaut bekommt. Ich werde diese Lieder nie vergessen. An die 200 habe ich dort gelernt. Zum Beispiel „Der Meier“ mit seinen endlos vielen Strophen oder „Lesen heißt auf Wolken liegen“ oder jenen Megahit namens „Superkalifragilistisch“.

Heute besuche ich die siebte Klasse eines Kölner Gymnasiums. Und manchmal, wenn mein Unterricht an einem Freitag erst später beginnt, gehe ich in meine alte Grundschule und setze mich in die Wochenfeier und singe ganz laut mit. Nicht selten treffe ich dort die ein oder andere alte Schulfreundin, die an diesem Tag die gleiche Idee hatte wie ich.

Von Kinderreporterin Medi