„Wir werden nicht ernst genommen“

„Wir werden nicht ernst genommen“
Foto: Fabian Sommer/dpa


Xueling Zhou ist 16 Jahre alt und macht nächstes Jahr Abitur. Deswegen lernt sie zurzeit in der Schule. Sie geht auf das Genoveva-Gymnasium in Köln-Mülheim. Dort ist Xueling eine der Schülersprecherinnen. Sie ist außerdem im Vorstand der Bezirksschülerinnenvertretung (BSV) Köln. Bei der BSV setzen sich Jugendliche dafür ein, dass es den Schülerinnen und Schülern in Köln gut geht. Dafür treffen sie sich zum Beispiel mit Henriette Reker, der Kölner Oberbürgermeisterin, oder nehmen an Treffen mit anderen Experten zum Thema Schule teil.

Xueling Zhou. Foto: Privat

Interview

Kinderreporterin Mila hat uns zuletzt geschrieben: „Ich rege mich so auf, dass die Schulen jetzt schon wieder dicht sind, man aber mit einem Test zum Friseur gehen kann.“ Was denkst du: Wie ist die Stimmung unter den Schülerinnen und Schülern in Köln?
Die Stimmung ist nicht so gut. Viele sind unzufrieden mit den Maßnahmen, die für die Schulen beschlossen wurden. Viele haben auch Angst, sich in der Schule anzustecken. Die älteren Schülerinnen und Schüler sind sehr unsicher – sie fragen sich, ob sie die Prüfungen schaffen und ob ihr Abschluss genauso viel Wert ist wie ein Abschluss, den Menschen vor Corona gemacht haben.

Und wie ist es bei den jüngeren Schülern?
Meine Schwester ist elf Jahre alt und sie vermisst es sehr, in der Schule zu sein, mit ihren Freundinnen zu sprechen, im Unterricht mal Spaß zu machen. Normalerweise schließen die Kinder in der fünften und sechsten Klasse neue Freundschaften und sammeln viele Erfahrungen. Das ist jetzt nicht möglich und darunter leiden die Jüngeren sehr. Meine Schwester war tatsächlich eifersüchtig, dass ich in die Schule gehen darf, sie aber nicht.

Werdet ihr als Vertretung der Schülerinnen und Schüler von Köln nach eurer Meinung zu den Corona-Maßnahmen gefragt?
Die meisten Entscheidungen zum Thema Schule werden nicht in einer Stadt wie Köln gemacht, sondern von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW). Es gibt aber auch für ganz NRW eine Vertretung für Schülerinnen und Schüler, mit denen wir Kontakt haben. Die Vorschläge, die wir machen, werden aber fast nie umgesetzt. Wir Schülerinnen und Schüler werden nicht ernst genommen.

In NRW ist Yvonne Gebauer die Schulministerin. Wie findet ihr die Entscheidungen, die sie trifft?
Wenn ich Frau Gebauer eine Note geben dürfte, wäre das eine Vier. Ihre Politik ist sehr fern von der Realität. Nach den Osterferien gab es eine Woche Homeschooling, jetzt aber wieder Wechselunterricht. Wir fragen uns: Wo ist der Sinn? Außerdem kamen die Corona-Tests für die Schulen nicht rechtzeitig an. Warum ist es so schwer, die zu besorgen? Und besonders für Köln gilt: Hier sind sehr viele Schulen – und auch Fenster – kaputt. Deswegen kann man dort gar nicht problemlos lüften.

Wie klappt es denn mit dem Homeschooling?
Sehr unterschiedlich. Die Stadt Köln hat zwar iPads an Schüler verteilt und viele Schulen mit Internet ausgestattet, aber die Geräte und das System funktionieren nicht immer. Die Techniker von der Stadt kümmern sich darum manchmal erst nach Wochen. Außerdem brauchen die Lehrkräfte bessere Schulungen für den digitalen Unterricht. Als Schüler braucht man nicht nur ein iPad, sondern auch einen eigenen Raum, Ruhe und stabiles Internet, damit man gut lernen kann. Das haben viele Schüler nicht. Manche müssen sogar noch auf ihre Geschwister aufpassen. Andere hingegen bekommen von ihren Eltern total viel Unterstützung. Das ist ungerecht! Deswegen fordert die BSV, dass es für den Distanzunterricht keine Noten geben soll.

Was fordert ihr noch?
Wir wünschen uns, dass mehr für die seelische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler getan wird. Es gibt viele Familien, wo es nicht glatt läuft. Normalerweise könnte man dann mit dem Schulsozialarbeiter oder der Vertrauenslehrerin sprechen. Es sollte jetzt Online-Termine für so etwas geben. Es gibt auch andere Stellen, wo Kinder und Jugendliche Hilfe bekommen. Das sollte in den Schulen bekannt gemacht werden. Überhaupt sollten wir im Unterricht mehr über Corona reden.

Wie meinst du das?
Die meisten Informationen über das Virus bekommen wir aus den Medien. Gerade für jüngere Kinder wäre es aber gut, wenn sie im Unterricht mehr über das Virus sprechen würden. Manche Kinder denken, wenn jemand Corona hat, muss er sofort sterben. Das stimmt aber ja gar nicht! Ich hatte noch keine einzige Unterrichtsstunde zu Corona, wir machen einfach normal weiter.

Ab Montag sollen in der Schule alle zwei Mal pro Woche einen Coronatest machen. Glaubst du, das klappt?
An meiner Schule klappt es gut. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Grundschulkinder sich selbst testen können. Ich wusste mit sechs Jahren nicht, wie viel zwei Zentimeter in meiner Nase sind. Und die Lehrkräfte dürfen ja auch nicht helfen. Wir fordern: Die Tests müssten von medizinischem Personal gemacht werden! Dazu kommt: Ich höre immer öfter, dass Schüler, die Corona haben, ausgegrenzt werden. Das geht nicht! Wenn ich erfahre, dass ein Mitschüler Corona hat, sollte ich das nicht lustig oder eklig finden. Mein erster Gedanke sollte sein: Ich hoffe, es geht ihm gut.

Hast du noch einen Tipp, wie Kinder und Jugendliche gut durch diese schwere Zeit kommen?
Das Wichtigste ist, dass die Kinder und Jugendlichen auch auf sich selbst achten. Klar, die Politik spielt verrückt und das geht uns allen auf die Nerven. Deswegen sollte man sich am Wochenende Zeit für etwas Schönes nehmen: Baden, Lieblingsserie gucken, Sport machen. Und man sollte sich nicht verrückt machen, wenn man vor einer komplizierten Mathe-Aufgabe steht. Mit der Zeit wird alles besser.

Das Gespräch führte Angela Sommersberg

Foto: IVDC/China CDC via GISAID/dpa

Wissenswert – Corona
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