Wozu brauchen wir Rechtschreibregeln?

Es war auch ein 1. August als Konrad Duden starb. Dem Lehrer haben wir unsere Rechtschreibregeln zu verdanken. Aber wozu brauchen wir die? Nur für Diktate und Deutscharbeiten? Wir haben eine Kölner Sprachexpertin gefragt
Frau Jambor-Fahlen, Konrad Duden haben wir zu verdanken, dass es feste Rechtschreibregeln gibt. Wofür brauchen wir die eigentlich?
Simone Jambor-Fahlen: Die Rechtschreibung ist die Helferin des Lesens. Ohne sie könnten wir die Bedeutung eines Textes oder Wortes nicht oder falsch verstehen.
Neulich habe ich einen Text gelesen, bei dem alle Vokale, wie A, E, I, O, U, gefehlt haben – man konnte trotzdem sofort verstehen, um was es geht.
Jambor-Fahlen: Ich befürchte, dass es viele Menschen gibt, die Probleme damit hätten – oder dass es zu Missverständnissen führen könnte. Womit wir bei einem weiteren Grund für die Rechtschreibregeln sind. Ohne sie würden wir uns ständig missverstehen. Nehmen wir zum Beispiel das Wort Hütte. Wüssten wir nicht, dass wir einen Vokal, in diesem Fall das „ü“, vor einem doppelten Konsonanten, hier also „tt“, kurz sprechen, würden wir „Hüte“ lesen – also ein Wort mit einer völlig anderen Bedeutung. Davon gäbe es unheimlich viel andere Beispiele.
Okay, wir brauchen Rechtschreibregeln, um uns zu verstehen. Wenn ich aber einer Freundin eine SMS schreibe, und dabei Abkürzungen verwende, die Groß- unn Kleinschreibung und andere Regeln missachte, versteht sie trotzdem, was ich meine.
Jambor-Fahlen: Wir verfügen über verschiedene Register, damit meine ich Sprach-Varianten. Wir sprechen zum Beispiel mit unserem Chef auf der Arbeit anders als mit unseren Freunden bei einer Party. Das ist auch okay so. Ich glaube auch nicht, dass das SMS-Schreiben schlechten Einfluss hat auf die Fähigkeit, korrekt schreiben zu können. Andere Experten sehen das anders. Wichtig aber ist, dass man die Rechtschreibregeln kennt und weiß, wo man sie anwenden muss: zum Beispiel in der Schule, bei offiziellen Schreiben, im Beruf.
Was passiert, wenn nicht?
Jambor-Fahlen: Dann hat man fast überall Nachteile. Und schlechte Noten. Korrekt zu schreiben ist in unserer Gesellschaft hoch angesehen. Wer viele Rechtschreibfehler macht, kann davon ausgehen, dass auch der Inhalt seines Textes schlecht bewertet wird – also das, was er mitteilen möchte. Um in unserer Gesellschaft weiterkommen zu können, muss man die Rechtschreibung beherrschen. Mit einer Bewerbung, die vor Fehlern strotzt, wird man keine Stelle bekommen.
Ist das nicht zu streng? Wichtig, beziehungsweise gut oder schlecht, ist doch das, was ich ausdrücken möchte – im Sinne von: Der Inhalt zählt, nicht die Verpackung.
Jambor-Fahlen: Wir können darüber streiten, ob das Thema in der Schule vielleicht ein wenig zu hoch gehängt wird, also der Rechtschreibung zu viel Bedeutung bei der Benotung beigemessen wird. An vielen Unis zum Beispiel wird in Klausuren die Rechtschreibung gar nicht mehr bewertet. Aber was passiert, wenn jeder schreibt, wie er möchte?
Dann würden wir uns alle nicht mehr verstehen, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Jambor-Fahlen: Korrekt!
Das Gespräch führte Caroline Kron
Das war Konrad Duden
Es war auch ein 1. August (im Jahr 1911), als er starb: Konrad Duden, der „Vater“, also Erfinder unserer Rechtschreibregeln. Wie er darauf kam? Zu seiner Zeit gab es keine klaren Regelungen. Fast überall, in jeder Schule, jeder Behörde, bei jeder Zeitung schrieb man anders. Es gab kein Richtig oder Falsch. Das hat den Gymnasiallehrer auf die Palme gebracht. Warum kann es nicht überall solche Regeln geben wie in den Schulen Bayerns oder Preußens?, dachte er und machte sich selbst an die Arbeit. Mit Erfolg: Am 7. Juli 1880 erschien sein erster „Duden“, der damals noch „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der Deutschen Sprache“ hieß – mit 27000 Wörtern (heute 135000). 1901 hatte er sein Ziel erreicht: Politiker bestimmten, dass Dudens Regeln für alle gelten sollten. (kro)