Eine Wunde, die langsam heilt

Im November gibt es viele Feiertage, an denen an die Toten gedacht wird: Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag. Wir haben mit zwei professionellen Trauerbegleiterinnen gesprochen. Sie helfen Menschen, wenn jemand gestorben ist.
Was ist Trauer eigentlich?
„Trauer ist keine Krankheit, sondern eine ganz natürliche Reaktion auf einen Verlust“, sagt Trauerbegleiterin Nicole Nolden. Das kann der Tod eines Verwandten, eines Freundes oder eines Klassenkameraden sein. Nicole Nolden erklärt, dass Trauern so ähnlich ist wie eine Verletzung – zum Beispiel, wenn du hinfällst und dir das Knie aufschlägst. Im ersten Moment bist du geschockt und spürst gar nichts. Erst nach einigen Momenten merkst du, dass es sehr weh tut und blutet.
Nach dem Sturz musst du dein Knie schonen, du kannst einige Zeit nicht so gut laufen. Wenn du einen lieben Menschen verlierst, geht es dir auch erst einmal nicht gut. Mit der Zeit heilt die Wunde am Knie langsam. Aber wenn du dir das Knie stößt, geht sie vielleicht noch einmal auf. Eigentlich dachtest du, die Wunde wäre verheilt und dann geht alles wieder von vorne los. Schließlich bildet sich eine Narbe, aber auch die spürst du immer mal wieder, zum Beispiel wenn deine Jeans über das Knie reibt. Bei Trauernden ist das ähnlich: Bestimmte Erlebnisse oder Erinnerungen tun ihnen weh.
Wie lange darf man traurig sein?
„Wie lange jemand trauert, ist von Mensch zu Mensch verschieden“, sagt Nicole Nolden. So wie auch eine Wunde bei jedem unterschiedlich schnell verheilt. Das kommt auch darauf an, ob eine Wunde gut verarztet wird. Wie lange jemand trauert, hängt davon ab, ob er gute Freunde und Familienmitglieder hat, die ihm helfen.
Irgendwann ist dein Knie gut verheilt und tut nicht mehr weh. Aber dann schaust du dich im Spiegel an und siehst die Narbe. Sie bleibt für immer bei dir. So bleibt auch die Erinnerung an einen verstorbenen Menschen.
Wie reagieren Menschen, die trauern?
Jeder Mensch ist anders. Und jeder reagiert anders. Nach einem Sturz beginnt der eine sofort zu weinen, ein anderer wird ganz still, noch ein anderer wütend, dass ihm so etwas passiert. So ist das auch, wenn ein Mensch stirbt. „Viele Trauernde empfinden Wut. Das ist ganz normal und erlaubt, so lange man sich oder Anderen nicht weh tut“, sagt Kirsten Fay. Manche Menschen zeigen gar keine Gefühle, andere ziehen sich zurück und haben auf gar nichts mehr Lust. „Es kann aber auch sein, dass jemand ganz überdreht ist und nach außen gar keine traurigen Gefühle zeigt“, sagt Nicole Nolden. Jemand, der trauert, wird auch zwischendurch manchmal lachen. Auch das ist ganz normal und wichtig, um sich von der Trauer zu erholen.
Wie geht man mit Menschen um, die trauern?
Wenn jemand in deiner Klasse oder in deinem Freundeskreis ist, der einen Menschen verloren hat: Geh auf ihn zu und frage, ob du etwas für ihn tun kannst. „Trauernde fühlen sich oft allein mit ihrem Schmerz“, sagt Nicole Nolden. Deswegen kann es ihnen helfen in einer Trauergruppe zu gehen. Dort treffen sie Menschen, die Ähnliches erlebt haben und die wissen, wie man sich fühlt.
Buchtipps:
„Leb wohl lieber Dachs“, Susan Varley, Annette Betz Verlag, 32 Seiten, ab 4 Jahren, 12,95 Euro
„Und was kommt dann? Das Kinderbuch vom Tod“, Pernilla Starfelt, Moritz Verlag, 32 Seiten, ab 5 Jahre, 11,80 Euro
„Wohnst du jetzt im Himmel?“ Ein Abschieds- und Erinnerungsbuch für trauernde Kinder, Jo Eckardt, Gütersloher Verlagshaus, 64 Seiten, ab 8 Jahre, 14,95 Euro
Gruppen:
Der Verein „Traube“ bietet mehrere Gruppen für Kinder und Jugendliche an, die um einen Menschen trauern. Bei den Treffen sprechen die Teilnehmer über ihre Gefühle, basteln, malen und spielen zusammen. Es gibt auch eine Gruppe, die auf einem Reithof stattfindet. Alle Informationen zu den Angeboten gibt es im Internet (klicke hier) oder unter der Telefonnummer 0221/ 26136731.
Von Kathy Stolzenbach