Stumm, aber nicht still

Früher wurden Filme ohne Ton gezeigt – Das änderte sich vor 90 Jahren
Genervt verdrehen die Schauspieler die Augen. Verzweifelt schmeißen sie die Arme in die Luft. Ungeduldig tippen sie mit ihren Fingern auf den Kalender an der Wand. Alle Bewegungen wirken total übertrieben. Aber das muss so sein. Denn früher konnten die Zuschauer nicht hören, was die Schauspieler im Film gesagt haben – der Film war stumm! Kannst du dir das vorstellen? Heute vor 90 Jahren kam einer der ersten Tonfilme in die deutschen Kinos. Wir erklären dir, wie es dazu kam.
Was ist ein Stummfilm?
Für viele Experten ist 1895 das Geburtsjahr des Films. Damals zeigten zwei Brüder in einem Pariser Café Zuschauern selbst gedrehte Filme. Die Technik entwickelte sich zwar weiter und die Filme wurden besser, aber am Anfang gab es noch nicht die Möglichkeit, auch Ton aufzunehmen und abzuspielen. Alles, was die Schauspieler vermitteln wollten, mussten sie mit ihrem Gesicht und ihrem Körper machen. Zusätzlich gab es die Möglichkeit, Tafeln in den Film einzublenden, auf denen Erklärungen standen. Ganze Gespräche konnte man so aber natürlich nicht wiedergeben. Trotzdem war es bei Stummfilmen in den Kinos nie still. Die meisten Filme wurden nämlich von Klavierspielern begleitet, andere sogar von Orchestern. Und dann gab es noch die Filmorgel: Ein Gerät, mit dem man Geräusche wie Regen oder das Rattern einer Eisenbahn nachmachen konnte.
Wie entstand der Tonfilm?
Die Technik wurde immer besser – und irgendwann gab es die Möglichkeit, auch Tonfilme zu drehen. Doch das wollten viele gar nicht. Die Produzenten hatten keine Lust darauf, denn das machte die Filme viel teurer. Die Kinobesitzer hatten keine Lust darauf, denn dann hätten sie ihre Säle umbauen müssen. Die Schauspieler hatten noch weniger Lust darauf, denn im Tonfilm durften sie nicht mehr so übertrieben spielen, sollten dafür aber toll sprechen. Und die Zuschauer? Die liebten den Stummfilm! Trotzdem wagte das große amerikanische Unternehmen Warner Bros., das es auch heute noch gibt, den Schritt: 1927 brachte es den Film „Der Jazzsänger“ heraus, in dem der Hauptdarsteller an einigen Stellen sprach und sang. Das Unternehmen hatte damals Geldprobleme und hoffte, mit dem Film viel zu verdienen. Das klappte! Der Film wurde sehr beliebt.
Wie war es in Deutschland?
Viele wichtige Film-Entwicklungen fanden damals in Hollywood in den USA statt (das ist heute noch oft so). Das Problem war aber: Einen Stummfilm konnte jeder verstehen – egal, welche Sprache er sprach. Einen Film mit Ton aber nicht. Es dauerte einige Jahre, bis man einen Weg gefunden hatte, Filme zu synchronisieren, also so in eine andere Sprache zu übersetzen, dass es gut zum Film passt. Einer der ersten deutschen Tonfilme kam am 17. Januar 1929 in die Kinos: „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ mit der berühmten Schauspielerin Marlene Dietrich. Auch hier gab es nur einen Teil mit Ton – nämlich das bekannte Schlagerlied „Ich küsse Ihre Hand, Madame“. Bald wurden immer mehr deutsche Kinos zu Tonfilmkinos umgebaut.
Und heute?
In den vergangenen 90 Jahren hat die Filmproduktion sich sehr stark verändert – natürlich auch beim Ton. Durch die Technik, die es heute gibt, fühlt der Zuschauer sich, als säße er mittendrin im Geschehen. Trotzdem werden immer noch Stummfilme produziert. Manchen Leuten gefallen diese Art Filme nämlich sehr gut. So ein Film war vor einigen Jahren sehr erfolgreich: „The Artist“ gewann mehrere Oscars. Die Geschichte spielt Ende der 1920er Jahre und handelt von Filmstar George Valentin. Und der leidet unter dem Wechsel von Stumm- zu Tonfilm.
Von Angela Sommersberg