Ziegel formen statt lesen lernen

Ziegel formen statt lesen lernen
Foto: Peter Pauls

Wenn Rahul dir erzählen würde, was er so macht, würdest du erschrecken. Rahul lebt in Indien, nicht weit von der Hauptstadt Neu Delhi. Er ist zehn Jahre alt und formt Tag für Tag zehn Stunden lang Ziegel aus Lehm.

Rahul beim Ziegelformen. Foto: Peter Pauls

Sie werden später gebrannt, damit sie hart sind. Neben ihm arbeitet sein Vater. Mutter, Geschwister und Großeltern sind auch nicht weit. Alle helfen sie, Ziegel herzustellen. Spielzeug oder eigene Bücher kennt Rahul nicht. Er kann nicht lesen oder schreiben. Statt in die Schule zu gehen, muss er arbeiten.

Was ist Kinderarbeit?

Am 12. Juni ist der „Internationale Tag gegen Kinderarbeit“ und er soll darauf aufmerksam machen, dass auf der Welt bis zu 220 Millionen Kinder jeden Tag arbeiten müssen. Das sind beinahe dreimal so viele Menschen wie in Deutschland leben. Eine gewaltige Zahl. Sie zeigt, wie verschieden es auf der Welt zugeht.

Warum muss Rahul arbeiten?

Eigentlich sollen Kinder in Indien nicht arbeiten. Aber Rahuls Familie würde es nicht helfen, wenn er plötzlich zu Hause bliebe. Alle packen an, damit täglich wenigstens 1000 Ziegel gepresst werden können. Rahul ist besonders tüchtig. Ohne ihn würden 200 Ziegel fehlen. Dann bekäme der Vater nicht den Tageslohn von sechs Euro und es gäbe weniger zu essen. Deshalb darf Rahul nicht in die Schule.

Kinder in der Don-Bosco-Schule. Foto: Peter Pauls

Warum darf Kusum zur Schule?

Rahuls jüngere Schwester heißt Kusum. Sie ist sieben Jahre alt. Manchmal erlauben die Eltern, dass sie mit ihren kleinen Geschwistern in die Don-Bosco-Schule geht. Ihr Schulranzen ist ein alter Getreidebeutel aus Plastik, in dem Stifte, Hefte und Teller sind, denn mittags gibt es dort zu essen. Manche Eltern schicken ihre Kinder gerne zu Don-Bosco. Dann sparen sie das Geld für die Mahlzeiten. Kusum und ihre Geschwister lernen ein wenig lesen und schreiben. Sogar einen Spielplatz gibt es dort. „Schule macht den Kindern Spaß,“ sagt Pater Mathew Kalathunkal, der das Zentrum leitet.

Der Schulbus – imHintergrund sieht man den rauchenden Schornstein der Ziegelfabrik. Foto: Peter Pauls

Wie kommt man zur Schule?

Ein gelber Bus der Don-Bosco-Schule holt jeden Tag ungefähr 180 Mädchen und Jungen aus ihren Dörfern ab und bringt sie nachmittags wieder zurück. Sie haben ein Riesenglück. Denn etwa 100 000 Kinder arbeiten allein in den Ziegeleien nahe der Hauptstadt. Und in ganz Indien sollen es 20 Millionen Kinder sein, die hart arbeiten müssen.

Wo arbeiten viele Kinder?

Die meisten Kinderarbeiter leben heute in Afrika. Pule Molebatsi war vor 30 Jahren einer von ihnen. Er wuchs in Südafrika ohne Vater auf und half seiner Mutter, wo er konnte. Er verkaufte Fleisch, wusch Autos und arbeitete im Garten. Aber er ging in die Schule. Am Wochenende hatte er nicht frei. Da fuhr er morgens um 4 Uhr mit einem Mann zum Großmarkt in Johannesburg und sie holten Gemüse. Das verkauften sie dann. „Die Schuluniform habe ich selbst bezahlt, Kleider und Schuhe auch“, erinnert er sich. Was übrig blieb, gab er seiner Mutter. Oft war er traurig. Am schlimmsten sei das Gefühl gewesen, dass er es wohl gar nicht besser verdiene. Heute ist Pule Molebatsi verheiratet und hat drei Kinder. Er arbeitet in der Filmindustrie und hat etwas aus seinem Leben gemacht.

Was bedeutet das?

Du hast den Unterschied zwischen Rahul und Pule bemerkt? Der afrikanische Junge ist in die Schule gegangen. Das half ihm später, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Deshalb unterrichten die Ordensmänner von Don Bosco die Ziegelkinder. Damit sie sich später vielleicht einmal selbst helfen können.

Von Peter Pauls