Viviana muss Geld verdienen

Viviana und Fernando spielen mit Freunden, gehen zur Schule – und arbeiten. Jeden Morgen stehen sie ganz früh am Marktstand. Ihre Mutter verdient alleine nicht genug Geld. Ich habe die Geschwister vor einigen Monaten in Peru besucht.

Foto: Christina Weise
Mathe und Mittagessen
Viviana steckt den Bleistift in den Mund und überlegt. Die zwei letzten Aufgaben in Mathe möchte sie schnell lösen, dann hat sie noch Zeit zum Spielen, bis es Mittagessen gibt. Neben ihr schreibt Fernando langsam große Buchstaben auf eine Linie.
Die Geschwister sitzen an einem der großen Holztische im Haus von Manthoc in Lima, der Hauptstadt von Peru. Manthoc ist die „Bewegung arbeitender Kinder“ in Peru. Die Organisation unterstützt Kinder wie Viviana und Fernando, sie schützt sie und hilft, wenn sie krank sind. Wenn ihre Mutter arbeitet, kommen die Geschwister hierhin, bekommen Hilfe bei den Hausaufgaben, können spielen und etwas Warmes essen. Sonst wären sie alleine zu Hause. Dafür zahlen alle Mitglieder einen kleinen Beitrag in die Gemeinschaftskasse.

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Arbeit auf dem Markt
Als Viviana mit dem Rechnen fertig ist, spielt sie mit zwei anderen Mädchen in dem schmalen Innenhof. Viviana ist acht Jahre alt und steht jeden Morgen um fünf Uhr auf. Sie macht das Frühstück und fährt dann mit ihrer Mutter und Fernando zum Markt. Hier verkaufen sie Hähnchen und Gemüse. Viviana muss das geschlachtete Hähnchen waschen und zerteilen. Dabei hat sie sich auch schon mal geschnitten. Fernando ist sechs Jahre alt und räumt jeden Morgen Gemüse auf den Marktstand, nimmt neue Waren an und trägt die Einkäufe der Kunden.
Arme Familien
Für Viviana ist es normal zu arbeiten. Dass Kinderarbeit eigentlich verboten ist, findet sie ungerecht. „Wie sollen wir denn sonst überleben?“, fragt sie. So wie Viviana und Fernando geht es tausenden anderen Kindern in Peru. Erst ab 14 Jahren ist es erlaubt zu arbeiten, doch viele Familien brauchen die Einkünfte ihrer Kinder, um nicht zu verhungern. Manthoc setzt sich für die Rechte dieser Kinder ein. Die Meinung der Kinder ist wichtig. Ein paar Erwachsene beraten. So wie Cecilia Ramirez. Als Kind war sie auch Mitglied von Manthoc. „Kinderarbeit zu verbieten führt nur dazu, dass die Kinder heimlich arbeiten. Dann werden ihre Arbeitsbedingungen schlechter. Wir müssen dafür kämpfen, dass Kinder unter guten Bedingungen arbeiten können.“

Foto: Christina Weise
Unser Recht
Viviana und die anderen Kinder von Manthoc wissen genau, wie das aussehen soll: Sie dürfen nicht ausgenutzt werden, ihre Gesundheit darf nicht leiden, sie müssen neben der Arbeit Zeit haben zum Spielen und Lernen. Dafür hat Viviana schon zwei Mal auf den Straßen von Lima demonstriert und sie hat Politiker getroffen. Dem Bürgermeister hat sie erzählt, wie wichtig es für sie ist, zu arbeiten. „Früher war ich schüchtern. Aber bei Manthoc hab ich viel gelernt“, sagt sie. Jeden Samstag treffen sich alle Mitglieder, sie reden darüber, was in Peru und in der Welt passiert und planen die nächsten Aktionen.

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Ein Traum vom Haus
Viviana, Fernando und ihre Mutter wohnen in einem kleinen Haus mit nur einem Zimmer. Es ist gleichzeitig Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche. Die Toilette ist in einer Hütte nebenan. Darüber, darunter und daneben stehen überall kleine, einfache Häuser. Alle Menschen, die hier wohnen, sind arm. Einen Teil von dem Geld, das sie verdienen, geben Viviana und Fernando ihrer Mutter. Den Rest stecken sie in eine Bonbondose. „Mama sagt, in vier Jahren schauen wir nach, wie viel es ist und vielleicht können wir dann ein größeres Haus kaufen“, sagt Viviana. „Das wäre so toll!“
Das ist Kinderarbeit:
Weltweit arbeitet fast jedes zehnte Kind zwischen fünf und 17 Jahren. Als Kinderarbeit bezeichnet man Arbeit, für die Kinder noch zu jung sind, die schlecht für ihre Gesundheit ist, und sie von der Schule und dem Spielen abhält. Ganz schlimm ist es, wenn Kinder bei der Arbeit ihr Leben gefährden. Dabei haben fast alle Länder der Welt einen Vertrag unterschrieben, dass Kinderarbeit verboten ist. Doch viele sorgen nicht dafür, dass der Vertrag eingehalten wird. Die Kinder brauchen das Geld, weil ihre Familien sehr arm sind. Oft haben sie keine Zeit, um in die Schule zu gehen. Das hat Folgen: Wenn sie nichts lernen, finden sie wahrscheinlich später auch keinen richtigen Beruf und können nicht genug Geld verdienen, um ihre Familien zu ernähren.
In Deutschland dürfen Kinder ab 15 Jahren kleine Jobs übernehmen. Zeitungen austragen, mit dem Hund Gassi gehen oder bei der Ernte helfen dürfen auch schon Jüngere. Aber nicht mehr als zwei Stunden am Tag.
Von Christina Weise