So geht es Kindern in Syrien

So geht es Kindern in Syrien
Viele Schulen in Syrien sind zerstört. Lernen müssen die Kinder deswegen zwischen Trümmern. (Foto: Unicef)

Ninja Charbonneau (40 Jahre alt) ist Pressesprecherin bei Unicef. Das ist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Wir haben die Expertin gefragt, wie das Leben für Kinder in Syrien gerade ist. Denn dort herrscht seit Jahren Krieg.

Vor einem Jahr sind viele Kinder aus Syrien nach Europa geflohen. Wie geht es den Kindern, die in Syrien geblieben sind?

Ninja Charbonneau (Foto: Unicef)

Das ist Ninja Charbonneau. (Foto: Unicef)

Ninja Charbonneau: Es geht ihnen sehr schlecht. Seit fünf Jahren herrscht dort Bürgerkrieg. In Syrien gibt es zurzeit keinen sicheren Ort. Jeden Tag fallen Bomben oder es wird geschossen. Die Kinder haben Angst. Es gibt oft kein sauberes Trinkwasser, nicht genug Essen, viele Schulen und Krankenhäuser sind zerstört worden. Ein normales Leben ist nicht möglich.

Warum gibt es diesen Krieg?

Ninja Charbonneau: Das ist sehr schwer zu erklären, auch Erwachsene verstehen nicht mehr, was dort passiert. Angefangen hat alles vor etwa fünf Jahren. Damals haben einige Menschen gegen die Regierung in Syrien protestiert. Diese Demonstrationen wurden mit Gewalt beendet. Dann ist es an einzelnen Orten zu Kämpfen zwischen der Regierung und ihren Gegner gekommen. Und dann sind immer mehr Gruppen dazu gekommen, die für ihre Sachen kämpfen. Mittlerweile ist das ein riesiges Durcheinander.

Es ist aber ja auch sehr schwierig, verlässliche Nachrichten aus Syrien zu bekommen. Die meisten Journalisten haben das Land verlassen. Woher bekommen Sie Ihre Informationen?

Ninja Charbonneau: Die Organisation Unicef hat Mitarbeiter in Syrien. Sie versorgen die Menschen vor Ort und berichten uns in Deutschland von der Lage dort.

Wo ist es denn zurzeit am schlimmsten?

Viele syrische Städe sind heute von Bomben zerstört. (Foto: Unicef)

Viele Städe sind von Bomben zerstört. (Foto: Unicef)

Ninja Charbonneau: Der schlimmste Ort ist seit einigen Wochen Aleppo. Die Stadt ist belagert. Die Menschen, die dort wohnen, kommen nicht mehr raus. Gleichzeitig kommen kaum noch Lieferungen mit Lebensmitteln oder Medikamenten in die Stadt rein. Auch die Wasserleitungen wurden absichtlich zerstört. Das ist ganz besonders für die Kinder eine schlimme Situation, denn sie werden schneller krank als Erwachsene.

Wie sieht denn der Alltag der syrischen Kinder aus?

Dieses Mädchen holt Wasser - denn aus der Leitung kommt nichts mehr. (Foto: Unicef)

Dieses Mädchen holt Wasser – denn aus der Leitung kommt nichts mehr. (Foto: Unicef)

Ninja Charbonneau: Viele Kinder haben kein Zuhause mehr, weil es im Krieg zerstört wurde. Die Familien versuchen dann bei Verwandten oder Freunden unterzukommen, bei denen es noch halbwegs sicher ist. Das bedeutet dann, dass mehrere Familien in einer kleinen Wohnung zusammenleben und auf Matratzen auf dem Boden schlafen – viele Monate lang.

Manche Menschen mussten auch mitten in der Nacht von zu Hause weg. Die Kinder sind dann einfach barfuß und im Schlafanzug losgerannt – und besitzen sonst nichts mehr. Zwei Millionen Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, weil die Gebäude zerstört sind.

Außerdem haben viele Kinder schreckliche Dinge erlebt: Verwandte sind gestorben oder die Kinder wurden selbst verletzt. Viele sind sehr traurig und haben Alpträume. Erstaunlich finde ich, dass die Kinder trotzdem noch spielen. Und wenn sie kein Spielzeug mehr besitzen, basteln sie sich aus Schrott welches.

Dann kann man ja gut verstehen, warum die Leute nach Europa fliehen.

Ninja Charbonneau: Die meisten Syrer fliehen gar nicht nach Europa. Klar, sind viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Aber die meisten Menschen fliehen innerhalb des Landes oder in die Nachbarländer Libanon, Jordanien, Türkei.

Was muss denn passieren, damit es den Kindern besser geht?

Ninja Charbonneau: Der Krieg müsste aufhören. Aber das wird so schnell nicht passieren. Deswegen drängen viele Politiker und Hilfsorganisationen darauf, dass es zumindest Kampf-Pausen gibt. Dann könnten unsere Mitarbeiter zu den Menschen in den eingeschlossenen Städten gelangen und sie versorgen. Über so eine Feuerpause wird für die Stadt Aleppo schon länger verhandelt – aber es ist immer noch nichts passiert.

Können Kinder in Deutschland etwas tun, um zu helfen?

Ninja Charbonneau: Die Kinder in Syrien haben Angst, dass die Welt sie vergisst. Damit das nicht passiert, ist es wichtig, dass wir über den Krieg in Syrien reden. Und nachdem ich jetzt erzählt habe, wie es den Kindern in Syrien geht, verstehen deutsche Schüler vielleicht besser, warum die neuen Kinder in ihrer Klasse manchmal so traurig sind – und helfen ihnen, sich hier willkommen zu fühlen.

Das Gespräch führte Angela Sommersberg