Kurz erklärt: So lief der NSU-Prozess ab

Ein Bild aus dem NSU-Prozess: Die Angeklagte Beate Zschäpe (Gruppe rechts unten in der Mitte) steht vor Beginn des Prozesses im Gerichtssaal München neben ihren Anwälten Wolfgang Stahl (l), Wolfgang Heer und Anja Sturm (r) und dreht den Zuschauern den Rücken zu. (Foto: dpa)
Ein Bild aus dem NSU-Prozess: Die Angeklagte Beate Zschäpe (lange braune Haare) steht vor Beginn des Prozesses im Gerichtssaal München neben ihren Anwälten und dreht den Zuschauern den Rücken zu. (Foto: dpa)

430 Verhandlungstage, über fünf Jahre verteilt – so lange dauert der sogenannte NSU-Prozess schon an. Er ist damit einer der längsten und aufwendigsten Gerichtsprozesse, die es in Deutschland je gegeben hat. Am Mittwoch wird endlich das Urteil der Richter am Oberlandesgericht in München erwartet. Wir erklären dir, was es mit der Verhandlung auf sich hat – und warum sie sich so lange hinzog.

Was bedeutet überhaupt „NSU“?

NSU“ ist die Abkürzung für „Nationalsozialistischer Untergrund“. Das war eine schlimme Terrorgruppe, die sich wohl im Jahr 1999 in Ostdeutschland gründete. Ihre Mitglieder waren Neonazis. Sie glaubten daran, dass die Ideen von Adolf Hitler und den Nazis aus den 1930er-Jahren richtig waren. Ganz einfach heißt das: Sie hassten Ausländer. Das grausame Ziel des NSU war, Mitbürger mit ausländischer Herkunft zu ermorden.

Was hat der NSU getan?

In der Keupstraße in Köln wurden bei einem Nagelbombenattentat wurden mehr als 20 Menschen verletzt, einige davon lebensgefährlich. (Foto: dpa)

Zwischen 2000 und 2007 töteten die Mitglieder des NSU in ganz Deutschland neun Menschen mit ausländischer Herkunft und eine Polizistin.

Außerdem verübten sie Anschläge mit Bomben in mehreren deutschen Städten – unteranderem auch in Köln im Jahr 2004.

Außerdem soll der NSU insgesamt 15 Überfälle auf Banken, Postfilialen und einen Supermarkt verübt haben.

Wer ist angeklagt und warum?

Die beiden Haupttäter, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, sind mittlerweile tot. Sie starben nach einem letzten Banküberfall in einem brennenden Wohnmobil. Die Ermittler glauben, dass sie sich selbst umgebracht haben.

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist das dritte Mitglied der Terrorgruppe: Beate Zschäpe. Sie lebte jahrelang versteckt mit den beiden anderen Tätern zusammen und half ihnen wohl, die Anschläge und Morde zu organisieren.

Vor Gericht nennt man das „Mittäterschaft“. Die wird ihr in zehn Mordfällen vorgeworfen. Sie selbst allerdings behauptet seit dem Beginn des Prozesses im Jahr 2013, sie hätte immer erst nach den Taten erfahren, was ihre Kollegen getan hätten.

Außerdem sind vier weitere Männer angeklagt, die den über Jahre hinweg unterstützt haben sollen. So hat zum Beispiel einer der weiteren Angeklagten wohl eine Pistole für die Morde besorgt. Ein anderer soll ihnen falsche Ausweise beschafft haben.

Wer klagt gegen die Täter?

Bayern, München: Gavriil Voulgaridis (M), der Bruder des Opfers, dessen Frau Christina (l) und der orthodoxe Erzpriester Apostolos Malamoussis (r) gehen mit einem Bild des Ermordeten Boulgarides zu einer Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung am Tatort. Am 15.06.2005 wurde der Grieche Theodoros Boulgarides in seinem Laden in der Trappentreustraße von Mitgliedern der Terrorzelle NSU ermordet. (Foto: dpa)

Gavriil Voulgaridis und seine Frau Christina (l) gedenken Theodoros Boulgarides. Der Grieche wurde in seinem Laden von dem NSU ermordet. (Foto: dpa)

Hauptkläger ist der deutsche Staat, weil der massiv die deutschen Gesetze gebrochen hat. Es gibt aber auch sogenannte Nebenkläger. Das sind Menschen, die auch Schaden durch die Taten des NSU nahmen – und sich deshalb der Klage angeschlossen haben. Das sind zum Beispiel Familienmitglieder der ermordeten Menschen.

Insgesamt gibt es 95 Nebenkläger im „NSU-Prozess“, sie werden von 60 Anwälten vertreten. Du merkst also: Eine ganze Menge Menschen sind an diesem riesigen Verfahren beteiligt.

Warum hat der NSU-Prozess so lange gedauert?

Ein großes Problem: Es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass Beate Zschäpe je an einem der Tatorte war. Das heißt: Wie ein Puzzle versuchte das Gericht in den vergangenen Jahren durch Zeugenaussagen und kleine Hinweise Zschäpes Leben im NSU zusammenzusetzen. Das war sehr aufwendig, weil es so viele Verbrechen waren – und dauerte eben total lange.
Erwartet wird aber, dass das Gericht das geschafft hat – und Zschäpe für ihre Taten verurteilt und ins Gefängnis schickt.

VON JONAH LEMM