„Ich habe die Herzen gewonnen“

Yusra Mardini aus Hamburg tritt bei Olympia für ein Team aus Geflüchteten an
Aus welchem Land ein Sportler oder eine Sportlerin kommt, sieht man bei den Olympischen Spielen meist schnell. Denn auf der Kleidung ist etwa eine Flagge eingenäht oder die Shirts zeigen die Landesfarben. Bei der Schwimmerin Yusra Mardini ist das anders. Auf ihrer Kleidung sind die fünf olympischen Ringe zu sehen. Denn sie startet für das sogenannte Flüchtlingsteam. Die 23-Jährige hat derzeit keinen Ausweis. Denn sie floh vor dem Krieg in Syrien und lebt heute in der deutschen Stadt Hamburg. Schon mit drei Jahren begann sie zu schwimmen – Yusras Vater war ihr Trainer. Als Jugendliche stellte sie in Syrien sogar den Rekord über 400 Meter Freistil auf! Im Interview erzählt sie, was sie sich für Olympia in Tokio vorgenommen hat.
Auf was freust du dich bei Olympia besonders?
Auf die Eröffnungszeremonie. Ich hoffe, ich darf Fahnenträgerin sein.
Du hast schon vor fünf Jahren in Rio bei Olympia mitgemacht. Willst du diesmal etwas anders machen?
Nein, gar nicht. Ich war einen ganzen Monat in Rio und ich habe wirklich alles erlebt, was man dort erleben kann während der Olympischen Spiele – außer einer Medaille. Dafür habe ich das Herz der Menschen gewonnen. Das war wirklich etwas Besonderes für mich und mein Team. Wir haben der Welt etwas Hoffnung gegeben.
Du startest im Schmetterlingsstil. Was hast du dir vorgenommen?
Ich bin in einem der Vorläufe dabei. Es wird sicherlich richtig hart, ins Halbfinale zu kommen, wenn ich ehrlich bin.
Startet ihr als Flüchtlingsteam unter neutraler Flagge?
Ja, aber es ist die olympische Flagge! Das heißt, wir vertreten die ganze große Welt. Und was will man mehr?
Würdest du gern für ein Länderteam schwimmen – und wenn ja, für welches?
Für Syrien zu starten ist ein bisschen kompliziert, da ich gerade keinen Pass habe. Ich weiß nicht, ob das überhaupt geht. Für Deutschland zu starten, kann ich mir in der Zukunft vorstellen. Es ist aber viel schwerer, sich für Deutschland zu qualifizieren. Man muss hart arbeiten, um es zu schaffen. Es ist schon mein Ziel, eine der Top-Athletinnen in Deutschland zu werden.
Sprecht ihr im Team über eure Flucht?
Die anderen bekommen alles mit, was in meinem Leben passiert. Manchmal fragen sie mich Sachen. Eine Frau im Team sagte mir: Ich werde nie verstehen, was dir passiert ist, aber du sollst wissen, dass ich immer für dich da bin. Das alleine fand ich wirklich süß. Das vergesse ich nie. Ich bin sehr glücklich, Teil von so einem Team zu sein.
Das Gespräch führte Ralf Jarkowski (dpa)
Hintergrund: Ein Team aus Flüchtlingen
Bei den Olympischen Spielen sind 29 Athletinnen und Athleten dabei, die nicht für ein Land antreten. Sie starten für das internationale Flüchtlingsteam. Dabei tragen sie die olympische Flagge mit den fünf Ringen (Foto), und ihr Lied ist die olympische Hymne. Die Mitglieder des Teams sind anerkannte Flüchtlinge und können damit nicht für ihr ursprüngliches Heimatland antreten.
Sieben der 29 Sportlerinnen und Sportler leben in Deutschland. Es sind der Schwimmer Alaa Maso und die Schwimmerin Yusra Mardini, der Boxer Wessam Salamana, der Judoka Ahmad Alikaj sowie der Karate-Kämpfer Wael Shueb, die alle aus Syrien stammen. Außerdem gehören Saeid Fazloula (Kanu) und Kimia Alizadeh (Taekwondo) dazu, die aus dem Iran stammen. (dpa)