Als sich 36 Staaten bekriegten

Es passierte auf dem Schulhof: Tobias rangelte sich mit Malte, weil der ihn vom Platz am PC weggeschubst hatte. Malte bekam Hilfe vom großen Sven. Sven war immer da, wenn Malte Probleme hatte. Tobias hatte es also plötzlich mit zwei Gegnern zu tun. Das Rangeln wurde zum Ringkampf zu viert, als Lasse, ein Kumpel von Tobias, für ihn Partei ergriff und sich mit Sven anlegte. Und weil jeder der vier wiederum eine Reihe von Freunden hatten, mischten bald noch mehr auf dem Schulhof mit. Die Schulhof-Balgerei ist erfunden, aber sie erklärt gut, wie es zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam – vor 100 Jahren am 28. Juli 1914.
Er begann mit der Kriegserklärung des Kaiserreichs Österreich-Ungarn an das Königreich Serbien. Einen Monat vorher, am 28. Juni 1914, war in der Stadt Sarajevo nämlich der österreichische Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, von einem Serben erschossen worden. Der Mord war aber nur der Auslöser, nicht der Grund für den Ausbruch des Krieges. Jedenfalls rief nach der Kriegserklärung von Österreich-Ungarn an Serbien Russland seine Soldaten zu den Waffen, weil es mit Serbien befreundet und verbündet war. Das wiederum brachte den deutschen Kaiser Wilhelm II. dazu, Russland am 1. August 1914 den Krieg zu erklären, weil er versprochen hatte, Österreich-Ungarn gegen Russland zu unterstützen.
Immer mehr Länder wurden in den Krieg verwickelt
Zwei Tage später erklärte Deutschland dann auch noch Frankreich den Krieg, das gleichfalls mit Russland und Serbien befreundet war. Und weil Deutschland, um gegen Frankreich Krieg zu führen, einfach so in Luxemburg und Belgien einmarschierte, die mit dem Krieg nichts zu tun haben wollten, trat am 4. August Großbritannien in den Krieg gegen Deutschland ein, um die beiden Länder zu beschützen.Im Laufe des Krieges kamen immer mehr Länder dazu, die für die eine Seite – Deutschland und Österreich-Ungarn – oder die andere – Frankreich, England, Russland und Serbien – kämpften. Am Ende waren weltweit 36 Staaten am Ersten Weltkrieg beteiligt.
Geschichtsprofis sinde sich nicht einig
Aber zurück zum Anfang: Warum es wirklich zum Ersten Weltkrieg kam, darüber sind sich die Geschichtsprofis bis heute nicht einig. Einige sagen, das Deutsche Kaiserreich sei neidisch auf die Weltmächte Großbritannien und Frankreich gewesen, hätte auch Weltmacht werden wollen und deshalb den Krieg riskiert, um dieses Ziel zu erreichen. Andere betonen mehr, dass nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder auf einen Krieg hingearbeitet hätten. Und dass das komplizierte Bündnissystem, das die Staaten in Europa miteinander verband, genau deshalb entstanden war, weil alle Regierungen früher oder später einen Krieg erwarteten. Und der kam dann ja auch.
Fast Zehn Millionen Menschen starben
Dass daraus gleich ein mehr als vier Jahre dauernder Weltkrieg wurde, das hat wohl keiner der Politiker am Anfang im Juli 1914 voraussehen können.
Als er am 11. November 1918 zu Ende ging, waren Deutschland und Österreich-Ungarn besiegt. Fast zehn Millionen Menschen starben. Das sind ungefähr so viele wie Baden-Württemberg Einwohner hat. Ungefähr 20 Millionen Soldaten wurden verwundet. Österreich und Deutschland verloren große Teile ihrer Gebiete, Ungarn wurde ein eigener Staat. Der deutsche Kaiser musste abdanken. Deutschland wurde eine Republik.
Doch gab es von Anfang an Politiker, die sich mit der Niederlage überhaupt nicht abfinden wollten. Das war einer der Gründe, die dann zum Zweiten Weltkrieg führten.
Von Peter Seidel