Tolle Knolle

Ein lautes Dröhnen erfüllt die große Lagerhalle in Köln-Fühlingen. Zwischendurch macht es: Rums, rums, rums – jedes Mal, wenn eine nach der anderen Kartoffel aus dem großen Sack auf das Rollband plumpst. Und genau dort steht schon Philipp bereit: Wenn er Ferien oder schulfrei hat, hilft der Elfjährige seinen Großeltern Barbara und Robert Wolf bei ihrer Arbeit im Familienbetrieb – ihrem Kartoffelhandel. Was Philipp dort genau tut? Duda hat ihm bei seiner Arbeit über die Schulter geschaut.
Verpacken und sortieren
Philipp war gerade drei oder vier Monate alt, als er das erste Mal seine Großeltern zum Gemüse verkaufen auf den Markt begleitet hat. Natürlich hat er da noch nichts selbst verkauft. Aber ein Foto, wie er damals als Baby in Omas Gemüsewaage sitzt, steht bis heute im Pausenraum des Kartoffellagers. Das Kartoffellager selbst ist gefüllt mit riesigen Säcken voller Kartoffeln – na klar –, aber auch etwa mit Knoblauch und Zwiebeln. An jedem Donnerstag holt Familie Wolf frische Ware vom Großhandel. Die wird dann ins Lager gebracht, verpackt und sortiert. Genau dabei kommt Philipp ins Spiel: Mit roter Schürze und fachmännischem Blick schaut er sich jede Kartoffel an und sortiert sie aus, wenn sie grün oder beschädigt oder wurmstichig ist – so heißt es, wenn kleine Würmer Röhren in die Knolle gebohrt haben. Die Kartoffel möchte dann natürlich niemand mehr essen! Also weg damit. Für die anderen Kartoffeln geht der Weg weiter über das Rollband.
Säubern und wiegen
Wenn die Kartoffeln direkt vom Bauern kommen, sind sie noch voller Erdkrümel. „Deswegen sind an dem Rollband oben Borsten angebracht, die den Dreck abbürsten“, erklärt Philipp. Das Rollband befördert die Kartoffeln mit lautem Dröhnen und Rattern eine Etage höher, sodass sie etwa zwei Meter über Philipps Kopf in der Sortiermaschine verschwinden. Die sorgt mit einer eingebauten Waage automatisch dafür, dass alle Säcke gleich schwer mit Kartoffeln befüllt werden. Barbara und Robert Wolf verkaufen auf dem Markt zum Beispiel 2,5- oder 5-Kilogramm-Säcke. Je nachdem, auf welche Geschwindigkeit Familie Wolf die Maschine einstellt, werden so etwa zehn Kartoffelsäcke pro Minute für den Verkauf fertig.
Richtig beschriftet
Neben dem Gewicht stehen auf dem Schild am Kartoffelsack anschließend auch Infos zur Kartoffelsorte und für welche Art von Gerichten man sie am besten verwenden kann. Denn schließlich wollen die Kundinnen und Kunden auf dem Markt zum Beispiel wissen, wie die Knolle später zu Hause schmecken wird: Sind die Kartoffeln festkochend oder mehlig? Sind sie also eher für einen leckeren Kartoffelsalat geeignet oder für ein Kartoffelpüree? Sind die Säcke fertig befüllt, werden sie – wieder über ein Fließband – nach und nach auf große Kisten verteilt. So können sie später einfacher in den Transporter geladen werden.
Lagern und verkaufen
Bis die Ware auf dem Markt verkauft wird, muss auch bei der Lagerung einiges beachtet werden. Über den meisten Säcken im Kartoffelhandel Wolf liegen große Planen aus Plastik, damit die Knollen nicht zu viel Licht bekommen. Denn dann werden sie schneller grün und entwickeln giftige Inhaltsstoffe. Grüne Kartoffeln sollte man also besser nicht mehr essen.
Sind alle Vorarbeiten erledigt, fährt Barbara Wolf die Ware am Markttag mit einem Anhänger zum Verkauf, etwa nach Sülz oder Bocklemünd. Hin- und zurückfahren, auf- und abbauen, all das kostet Zeit. Da ist sie natürlich froh, wenn sie Philipps helfende Hände dabei hat. Der hat auf dem Markt schon einiges gelernt: „Zum Beispiel, alte Gewichtsangaben umzurechnen. Fünf Pfund sind ungefähr 2,5 Kilogramm“, sagt der Elfjährige. „Wenn Philipp hinter dem Stand steht, sagen die Leute häufiger: Das passt schon so, und geben Trinkgeld“, lacht die Oma. Auch Philipps Sparschwein freut sich also.
Lange Familientradition
Seit den 1950er-Jahren gibt es den Kartoffelhandel der Familie Wolf. Chefin Barbara glaubt aber nicht, dass die nächste Generation ihn fortführen wird. „Philipp und die anderen Enkelkinder haben da glaube ich kein Interesse dran“, sagt sie. Philipp scheint das aber anders zu sehen: „Es wäre schon cool, das hier weiter zu machen“, sagt er. Opa Robert lacht, und kann sich vorstellen, warum. Als Philipp ganz klein war und die Erwachsenen im Pausenraum im Lager saßen, hörten sie plötzlich ein Geräusch: Philipp hatte mit einem Handgriff einfach die Hebel des Gabelstaplers hoch- und runtergefahren. Zum Glück ist dabei nichts passiert. Genügend Abenteuer gibt es in der Lagerhalle also genug. Aber ein wenig Zeit hat Philipp ja noch, bis er sich für einen Beruf entscheiden muss. Und bis dahin machen dem Elfjährigen BMX-Fahren im Skatepark, Leichtathletik und Saxofon-Spielen mindestens genauso viel Spaß.
Von Elisa Sobkowiak