Kölsche Stadtmutter

Kölsche Stadtmutter

Vor mehr als 2000 Jahren kam in einem Ort, aus dem später die Stadt Köln wurde, ein Mädchen zur Welt, das als römische Kaiserin in die Geschichte eingehen sollte: Agrippina die Jüngere. Im Jahr 50 nach Christus machte sie ihren Geburtsort Köln zu einer römischen Stadt, einer sogenannten colonia. Mario Kramp, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, und Kathrin Jaschke, die als Museumspädagogin im Römisch-Germanischen Museum Köln arbeitet, haben Duda mehr über die Gründerin der Stadt Köln erzählt.

Kathrin Jaschke, Museumspädagogin im Römisch-Germanischen Museum Köln. Foto: Martina Goyert

Römer und Germanen

Schon im Jahr 58 vor Christus eroberten die Römer weite Teile des heutigen Deutschlands. Am linken Rheinufer, wo jetzt die Kölner Innenstadt liegt, bauten sie einen Ort für Soldaten und deren Familien. Auch das germanische Volk der Ubier siedelte sich hier an. Nach ihnen wurde der Ort Oppidum Ubiorum genannt, was in etwa Ubiersiedlung heißt. Agrippina wurde am 6. November im Jahr 15 nach Christus hier geboren. Sie war mit der römischen Kaiserfamilie verwandt: Ihre Mutter, Agrippina die Ältere, war die Enkelin der Kaisers Augustus. Ihr Vater Germanicus war ein bedeutender römischer Feldherr.

Mächtige Frau

Agrippinas Eltern verließen Oppidum Ubiorum kurz nach ihrer Geburt. Später lebte sie am Kaiserhof in Rom. Sie heiratete jung und bekam einen Sohn, wurde aber bald zur Witwe. Als auch ihr zweiter Ehemann starb, ging in Rom das Gerücht um, Agrippina habe ihn mit Pilzen vergiftet, um sich einen viel mächtigeren Mann zu suchen. Tatsächlich heiratete sie nun Kaiser Claudius und wurde römische Kaiserin. Sie hatte offiziell kein politisches Amt inne, denn dies war Frauen im alten Rom nicht erlaubt. Aber durch ihren großen Einfluss auf den Kaiser und die Regierung war sie die mächtigste Frau ihrer Zeit. „Agrippina hatte einen starken Willen, war hochintelligent und ist vor wenig zurückgeschreckt. Sie ist ein Beispiel dafür, dass Frauen auch in früheren Zeiten durchaus ihre Interessen durchsetzten“, sagt Kathrin Jaschke.

Kölner Stadtgründung

Als Kaisergattin setzte Agrippina bei Claudius durch, ihren Geburtsort im Jahre 50 nach Christus den Status einer colonia zu verleihen. Das bedeutet, die Siedlung am Rhein wurde zu einer römischen Stadt ernannt und war Rom gleichgestellt. Es war die einzige Stadt im Römischen Reich, die von einer Frau gegründet und nach ihr benannt wurde: Colonia Claudia Ara Agrippinensium, abgekürzt CCAA. „Die Stadternennung war eine große Auszeichnung, das gab es nicht oft und schon gar nicht durch eine Frau. Mit einem Mal waren die Einwohner römische Bürger und durften ihre Stadt selbst verwalten und weniger Steuern zahlen. Die Entwicklung von Köln nahm dadurch richtig Fahrt auf“, erklärt Kathrin Jaschke. Die Bewohner waren so stolz auf ihre Stadtgründerin, dass sie sich selbst „Agrippinenser“ nannten.

Mario Kramp, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums.

Antiker Krimi

Im Jahr 54 nach Christus wurde Agrippinas Mann Claudius vergiftet – wieder erzählte man in Rom, Agrippina habe das getan, um ihren Sohn zum Kaiser zu machen. Der bestieg als Kaiser Nero den Thron. „Anfangs waren sich Mutter und Sohn einig und teilten sich die Macht. Doch dann ging es wie im Krimi weiter“, erzählt Mario Kramp. Nero wollte nämlich bald nicht mehr, dass ihm seine Mutter in seine Politik reinredete. Schließlich ließ er sie im Jahre 59 sogar ermorden und ordnete an, ihren Namen aus Inschriften zu tilgen und ihre Denkmäler zu zerstören.

CCAA und Köln

In den nächsten Jahren wurde sehr viel gebaut, zum Beispiel eine dicke Stadtmauer. Im Römisch-Germanischen Museum erfährst du, wie die Menschen zur Römerzeit in Köln lebten. Dort ist auch ein Stück des Torbogens des alten Nordtors der Stadt zu bestaunen, auf dem die Abkürzung CCAA steht. Ebenso der Grabstein eines gewissen Celerinus, der sich darauf als „cives Agrippinenes“, also als Agrippinenser bezeichnet. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der lange Stadtname immer kürzer: Aus CCAA wurde Agrippina, dann Colonia und schließlich Köln. „Köln geriet durch Agrippina in den Fokus der Weltgeschichte“, sagt Mario Kramp. Ohne die Ernennung zur Stadt wäre sie wohl nie so bedeutend geworden.

Treues Köln

In den Geschichtsbüchern der Antike kam Agrippina schlecht weg. „Sie war sehr machtbewusst und das wurde ihr schlecht ausgelegt. Das gehörte sich damals nicht für eine Frau“, erklärt Mario Kramp. Die Kölner blieben ihrer Stadtgründerin jedoch treu. Im Mittelalter wurde sie zum Beispiel auf Bildern auf einer Wolke über der Stadt schwebend dargestellt. „Wie eine Architektin, die die Stadt aufgebaut hat“, sagt Mario Kramp. Am Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der Kölner Gelehrte Ferdinand Franz Wallraf ein Buch über Agrippina und was sie für die Stadt getan hatte. Deshalb wurde sie von nun an auch im Rest Europas viel positiver gesehen.

Das so genannte “Siebengebirge”, historische Lagergebäude im Rheinauhafen, mit Schiffen davor. Foto: Christoph Hennes

Lebendige Agrippina

Agrippina ist heute noch in Köln präsent. Die Jungfrau im Kölner Karnevalsdreigestirn geht unter anderem auf sie zurück. Sie trägt ein römisch angehauchtes Gewand und ihre Krone repräsentiert die alte Stadtmauer. Im Kölner Rheinauhafen wurden die Agrippinawerft und das Agrippinaufer nach ihr benannt, eine Versicherung trug lange ihren Namen und am Rathausturm in der Altstadt ist sie als Statue verewigt. Sogar auf der Amtskette der Oberbürgermeisterin ist Agrippina als Stadtgründerin dargestellt. „Es ist erstaunlich, wie sich diese Dame über 2000 Jahre gerettet hat. Die Kölner finden es toll, eine so selbstbewusste Frau als Gründerin zu haben“, sagt Kathrin Jaschke.

Info

Römisch-Germanischen Museum Köln:
www.roemisch-germanisches-museum.de

Von Doreen Reeck