Ein Gestüt mitten in der Stadt

Ein Gestüt mitten in der Stadt
Die Vollblüter pesen etwa 60 Kilometern pro Stunde über die Grasbahn. Bild: Sabine Effgen

Auf der Rennbahn in Weidenpesch im Kölner Norden leben 350 Vollblüter

Hufgetrappel, Stroh, Sättel und in der Luft ein Hauch von Pferdemist: Wenn du an einen Pferdestall denkst, stellst du dir bestimmt ein großes Gestüt mitten auf dem Land vor. Tatsächlich gibt es so etwas aber auch mitten in Köln. Nämlich auf der Rennbahn in Weidenpesch. Hier leben zurzeit 350 Vollblutpferde. Sie werden hier ausgebildet, trainiert und zeigen ihre Schnelligkeit bei den Rennen. Duda hat sich auf der Rennbahn umgesehen und stellt dir diesen Ort im Kölner Norden vor.

Die Pferde

„Alle Rennpferde sind Vollblüter“, sagt Melanie Hödtke vom Kölner Rennverein. Diese besonders schnellen Pferde werden seit gut 300 Jahren gezüchtet. Bis sie zwei Jahre alt sind, leben die Tiere auf einem Gestüt, dann ziehen sie auf die Rennbahn um. In Weidenpesch gibt es mehrere Stallanlagen, in denen insgesamt 350 Vollblüter leben. Sie gehören Privatleuten, die viel Geld für sie bezahlt haben. Fünf Trainer arbeiten hier. Im größten Stall, er heißt Asterblüte, leben 105 Tiere. Unter ihnen ist der Derby-Sieger von 2022, ein dunkelbrauner Hengst namens Sammarco. 40 Angestellte kümmern sich in der Asterblüte um die Tiere, reiten und trainieren sie, putzen und füttern sie.

Das Training

Der Tag geht für Pferde und Reiter früh los: Im Winter beginnt das Training um 5 Uhr, im Sommer um 4 Uhr. Die Pferde trainieren in Gruppen. Der Trainer oder einer seiner Angestellten reitet mit dem Tier zum Aufwärmen durch ein Wäldchen bis zur Rennbahn. Dann geht es los: Mit 30 Kilometern pro Stunde galoppieren die Pferde eine Runde auf der Bahn. Danach traben sie gemächlich zurück in den Stall. Hier werden die Tiere gesäubert und drehen noch einige Runden in einer sogenannten Führmaschine (siehe Foto). Gegen 13 Uhr sind dann alle Gruppen durch. „Im Sommer ist es ab mittags einfach zu warm, deswegen fangen die Tiere schon so früh an“, erklärt Melanie Hödtke. Auf dem Gelände der Rennbahn gibt es auch kleine, eingezäunte Weiden für die Tiere. Insgesamt trainieren die Pferde eineinhalb Stunden pro Tag, den Rest des Tages verbringen sie meist im Stall.

Die Zuschauer können auf den Ausgang der Rennen wetten. Bild: zVg

Die Rennbahn

Seit 125 Jahren gibt es in Weidenpesch Galopp-Rennen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden hier sogar Kamel-Rennen statt – wie exotisch! Die Rennbahn ist zwei Kilometer lang, das ganze Gelände misst 55 Hektar, umgerechnet ist es so groß wie 77 Fußballfelder. Jedes Jahr gibt es elf bis zwölf Renntage, sogar der „Preis von Europa“ wird hier ausgetragen. Bei den Rennen treten nicht nur Pferde aus Weidenpesch an, sondern aus verschiedenen Orten in Deutschland und Europa. Zwischen acht und 14 Tiere nehmen an einem Rennen teil. Mehrere tausend Zuschauer kommen zu den Rennen und fiebern mit ihren Favoriten mit. Für Kinder wird ein großer Spielplatz mit Hüpfburgen aufgebaut, man kann sich schminken lassen und auf Ponys reiten. An anderen Tagen wird das Rennbahn-Gelände für Freiluft-Konzerte oder Flohmärkte genutzt.

Die Rennen

An einem Renntag finden mehrere kurze Rennen statt. Mal sprinten die Pferde über eine Länge von 1.200 Metern, mal über 1.600 Meter, mal über 2.400 Meter. Jedes Rennen dauert nur wenige Minuten. Kein Wunder: Schließlich pesen die Vollblüter ja auch mit etwa 60 Kilometern pro Stunde über die Grasbahn – das ist schneller als ein Auto in der Stadt fahren darf! Doch wer ist am allerschnellsten? Darauf wetten viele Menschen im Publikum: Erwachsene können eine Wette abschließen, zum Beispiel auf die Reihenfolge, in der die Pferde ins Ziel kommen. Und mit ein bisschen Glück gewinnen sie sogar. Reich wird man dabei aber nicht. Geritten werden die Tiere bei den Rennen übrigens von sogenannten Jockeys. Das sind kleine und leichte Sportlerinnen und Sportler, die eine besondere Ausbildung haben.

Wie geht es den Pferden?

Manche Leute denken, dass die Pferde Spaß daran haben, bei den Rennen so schnell zu galoppieren, andere kritisieren den Rennsport. Zum Beispiel fürchten Tierschützerinnen und Tierschützer, dass die Pferde bei den Rennen zu sehr gestresst werden, sich verletzen oder die Peitsche zu oft eingesetzt wird. Tatsächlich gibt es Studien, die zeigen, dass Krankheiten, die durch Stress ausgelöst werden, häufiger bei Rennpferden vorkommen. Und wenn die Tiere so schnell sprinten, können sie sich auch mal verletzten – manchmal sogar so schlimm, dass sie nach dem Rennen eingeschläfert werden müssen. Doch: Das passiert zum Glück nur sehr selten. „Im letzten Jahr hat sich bei den Rennen in Weidenpesch kein einziges Pferd verletzt“, sagt Melanie Hödtke. „Und wenn etwas passiert, sind direkt Tierärzte vor Ort.“ Und die Peitsche? Die darf in Deutschland bei einem Rennen höchstens drei Mal eingesetzt werden. „Außerdem ist sie vorne gepolstert“, erklärt Melanie Hödtke. Sie diene den Jockeys vor allem dazu, die Tiere in der Spur zu halten. Fakt ist: Wie es den Pferden wirklich geht, können wir nur erahnen – sagen können sie es uns nicht.

Von Angela Sommersberg