Für Kinder ist kein Nachrichtenthema ungeeignet

Hat viel im Bereich kinder- und Jugendmedien geforscht: Professor Günther Rager. (Foto: privat)
Brauchen Kinder spezielle Medien? Professor Günther Rager hat eine Antwort. (Foto: privat)

Wir als Erwachsene wollen Kindern die komplizierte Welt erklären. Aber wie macht man das? Günther Rager (72) war Professor für Journalistik an der TU Dortmund und ist Mitgründer der Medienagentur mct Dortmund. Wir haben mit ihm über Nachrichten für Kinder gesprochen.

Herr Rager, Sie haben viel zu Kinder- und Jugendmedien geforscht. Immer mehr Verlage veröffentlichen nun spezielle Kinderzeitungen. Brauchen Kinder das?

Günther Rager: Alles, das hilft, Kindern die komplizierte Welt zu erklären, ist nützlich. Kinderzeitungen schaffen das – wenn sie gut gemacht sind. Kinderzeitungen ergänzen andere Lektüre wie Bücher und Zeitschriften – und werden sehr intensiv genutzt.

Wie treffen Verlage denn das Interesse der Kinder?

Zunächst sollte man berücksichtigen, dass die Phase, in der das Kind nur Bilderbücher angeschaut hat, noch nicht lange zurückliegt. Deswegen sind Kinder sehr gut über Fotos und Layout erreichbar. Wichtig ist aber auch, dass die Texte verständlich geschrieben sind. Mit reinen Nachrichten können Kinder nicht viel anfangen. Sie wollen, dass ihnen ein Thema erzählt wird – und dass es in ihre Nahwelt eingebettet ist.

Wie meinen Sie das?

Günther Rager: Kinder interessieren sich für ihre Familie und Freunde, die Schule und den Verein, für Musik, Tiere und Sport. Das heißt aber nicht, dass die große weite Welt ausgeschlossen ist. Nur: Von sich aus würden Kinder sich nicht für die Griechenland-Krise interessieren. Wenn sie aber schon mal in Griechenland Urlaub gemacht haben, gibt es eine Verbindung.  Für eine Kinderzeitung müssen Journalisten ein globales Thema auf diese Weise herunterbrechen.

Dann stimmt das Vorurteil, dass Kinder sich nicht für politische Themen interessieren, also nicht?

Günther Rager: Es stimmt nicht. Natürlich wäre es falsch, den Kindern eine Erwachsenen-Welt vorzusetzen. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es kein Thema gibt, dass für eine Kinderzeitung ungeeignet ist. Man muss es nur aus dem richtigen Blickwinkel, mit den richtigen Worten und der richtigen Gestaltung präsentieren.

Aber Artikel über Katastrophen können Kindern schon Angst machen …

Das stimmt. Aber es gibt eben keine heile Kinderwelt. Heutzutage erfahren Kinder sowieso alle schlechten Nachrichten. Und dann finde ich es besser, ihnen das Thema kindgerecht nahezubringen. Wenn Verlage ihre jungen Leser längerfristig halten wollen, müssen alle wichtigen Ereignisse in der Kinderzeitung stattfinden. Damit die Kinder das Gefühl haben, dass sie dort alles erfahren.

Und was lernen Kinder durch diese speziellen Angebote?

Zeitungen sind viel offener, überraschender und aktueller als andere Produkte. Schulbücher zum Beispiel sind didaktisch brillant gemacht – decken aber nur ein Themenfeld ab. In der Kinderzeitung lesen sie über Themen, die mit Spaß verbunden sind, aber sie lernen auch, was gerade wichtig ist. Regionale Kinderzeitungen helfen Kindern, sich in ihrer Region und im Alltag zurechtzufinden.

Das Gespräch führte Angela Sommersberg