Weihnachtsgeschichte 2: Die Wunschliste

Weihnachtsgeschichte 2: Die Wunschliste
Vlatkos und Melas Stiefel bleiben am Nikolaustag leer. (Illustration: Katrin Stangl)

Die Kölner Autorin Ute Wegmann hat extra für Dudas Leser eine Weihnachtsgeschichte erfunden. Sie erscheint in vier Teilen. Heute: Teil 2, in dem Vlatko und seine Schwester Mela Pläne schmieden.

Drei Tage nach Nikolaus stehen unsere Stiefel immer noch frisch geputzt vor der Tür. Leer. Nicht mal gesunde Äpfel oder Nüsse sind drin.

Wir holen sie rein und setzen uns auf mein Bett. Mela in rosa Jogginghosen kaut Kaugummi und pult rosa Flusen zwischen ihren Zehen hervor.

„Pass auf, Flossi-Bär, wir lassen uns das nicht versauen.“

Eine rosa Blase kommt aus ihrem Mund, die größer und größer wird, bis sie zerplatzt. Ich starre sie an: „Und wie machen wir das?“

„Du schreibst eine Liste mit Sachen, die wir besorgen müssen.“

Ich hole Stift und Blatt, und sie legt sich hin, mit ihren Stinkefüßen auf mein FC-Kopfkissen. Ich zeige auf die Füße. Sie macht das Schaf und nimmt die Füße runter. Geht doch!

„Weihnachtsbaum“, fange ich an. „Kerzen“, sagt sie. „Kokosmakronen“, sage ich. „Schwarzweißgebäck“, antwortet sie.

So geht das weiter: Marzipankugeln, Nougatwürfel, Mandarinen, Lebkuchen, Vanillekipferl, Apfelsinen.

„Kerzen“, ruf ich. Das Schaf verdreht die Augen: „Hab ich doch schon gesagt.“

„Braten?“

„Ich kann keinen Braten braten“, antwortet Mela.

„Wir müssen Oma einladen“, sage ich.

Mela hört auf zu kauen. Sie starrt auf Etwas draußen vor dem Fenster. Ich sehe nur einen kahlen Ast. Ihre Augen sind riesig unter den langen Wimpern. So ganz nah sieht sie wirklich schön aus.

„Was ist los?“, ich tippe sie an.

„Super Idee. Wir laden Leute ein. Sie haben doch behauptet, sie wollen was Gutes tun. Frau Schnörres sagt: Spenden kann jeder. Aber wer lädt mal eine syrische Familie nach Hause ein?“

Das klingt richtig und richtig gut. Aber ob das meinen Eltern gefällt, wenn wir an Heiligabend fremde Leute zum Essen einladen?

„Du denkst, dass es unseren Eltern nicht gefällt, wenn wir Heiligabend fremde Leute zum Essen einladen!“

Da, sie macht es wieder. Ich teste sie und denke: Mela will wohl ein guter Mensch sein, besser als andere.

„Denkst du etwa, dass ich besser sein will als andere?“, sie stößt mich mit dem Stinkefuß an. Oh, Mann, ich muss aufhören zu denken.

„Ich denke nicht!“, antworte ich.

„Besser so!“, grinst sie. „Schreib auf: ein oder zwei Familien einladen. Können auch Türken sein.“

„Auch Türken?“ Wie die Keliciks von unten? Papa hat letztens noch gesagt: Wenn einer Kölner ist, dann die Keliciks, die feiern sogar Karneval. Ist die Einladung dann noch eine gute Tat?

„Hast du ein Geschenk für mich?“, fragt Mela.

Ich schüttel den Kopf.

„Dann schreib auf: Geschenk für Mela.“

„Und du?“, frage ich.

„Ich hab deins schon lange.“

Ich werde rot. Sie hat ein Geschenk für mich. Ich könnte ihr rosa Glitzernagellack kaufen. Hoffentlich liest sie nicht meine Gedanken.

„Und wenn die Familien Kinder haben, geben wir was von unseren Sachen ab,“ überlegt Mela.

Wir sollen was abgeben und haben den Megastress, weil meine Eltern sich gut fühlen wollen? Ich weiß nicht. Mela dreht ihre schwarzen Schaflocken.

„Am besten bestelle ich alle Sachen ein paar Tage vor Weihnachten im Internet, auf Papas Namen.“

„Und wenn er das merkt?“

Mela macht eine rosa Riesenblase. „Der merkt nichts!“

Von Ute Wegmann (Text) und Katrin Stangl (Illustration)

Hier liest du die anderen Teile unserer Weihnachtsgeschichte:

Teil 1: Keine Sterne, keine Geschenke