Warum können viele Menschen nicht lesen und schreiben?

Warum können viele Menschen nicht lesen und schreiben?
Wer nicht richtig lesen und schreiben kann, schämt sich so, dass er sich irgendwann ganz davor drückt. (Foto: dpa)

Weißt du noch, wie das war, als du noch nicht lesen konntest? Du hast Kinoplakate gesehen, die damals nur bunte Bilder für dich waren.

Beim Vorlesen hast du dich gefragt, was das für komische Zeichen auf den Seiten sind.   Heute kannst du selbst lesen. Du schreibst über dein Handy Nachrichten an deine  Freunde. Liest Bücher unter der Bettdecke. Und notierst auf dem Einkaufszettel, dass du noch Schokolade brauchst. Trotzdem gibt es Kinder in deinem Alter und sogar Erwachsene, die das nicht können. Diese Menschen nennt man Analphabeten. Zum Alphabetisierungstag erklären wir, was das bedeutet.

Was ist Schulpflicht?

Seit du etwa sechs Jahre alt bist, stehst du jeden Morgen auf und gehst zur Schule. Denn das ist in der Schulpflicht so festgelegt. Deine Eltern sind dazu verpflichtet, dich dorthin zu schicken.  In der Schule wird auch kontrolliert, ob du da bist. Deswegen müssen deine Eltern dich entschuldigen, wenn du mal krank bist. Die Schulpflicht steht sogar im Gesetz und in den Menschenrechten. Und in der Schule lernst du neben Mathe und Sachkunde natürlich auch Lesen und Schreiben. Trotzdem gibt es in Deutschland mehr als sieben Millionen Menschen, die das nicht richtig können. Stell dir mal vor: Fast jeder zehnte Deutsche ist Analphabet!

Was sind Analphabeten?

Es gibt allerdings unterschiedliche Arten von Analphabeten: Manche können überhaupt nicht lesen und schreiben, andere können nur kurze Sätze verstehen und ihren Namen buchstabieren. Dadurch werden ganz normale Alltagssituation für sie oft zum Problem: Analphabeten können die Speisekarte im Restaurant nicht lesen, den Beipackzettel für Medizin oder die Geburtstagskarte der Großeltern.

Auch beim Nachrichtenschreiben über das Handy  können Analphabeten nicht mithalten. Das ist natürlich total doof. Und dadurch fühlen sich diese Menschen schnell ausgegrenzt und alleine. Aber wie kann es überhaupt passieren, dass trotz Schulbesuch so viele Leute nicht lesen und schreiben können?

Welche Ursachen gibt es?

Die Schwierigkeiten beginnen meist in der Schule. Manche Kinder lernen langsamer als andere und kommen mit dem Tempo im Unterricht nicht mit. Wenn sie die Buchstaben noch nicht so schnell entziffern können wie ihre Freunde, schämen sie sich. Dann haben sie oft Angst, nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Und wenn ihnen zu Hause nicht vorgelesen wird, können sie auch dort nicht üben.

Darum versuchen diese Kinder dann, Lesen und Schreiben grundsätzlich zu vermeiden. Vor dem Diktat im Deutschunterricht versuchen sie sich zu drücken, indem sie so lange im Unterricht stören, bis sie rausgeschickt werden. Oder sie schreiben einfach von anderen ab: Sie malen dabei die Buchstaben ab, ohne sie wirklich zu verstehen. So kann das gehen, bis sie erwachsen sind und das, obwohl sie in der Schule waren. Analphabeten verstecken sich häufig so gut, dass ihre Schwäche einfach nicht bemerkt wird.

Wie kannst du helfen?

Wenn dir bei Freunden oder Klassenkameraden auffällt, dass sie Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben, dann biete ihnen deine Hilfe an. Viele Analphabeten schämen sich  so sehr, dass sie sich nicht trauen, um Hilfe zu fragen. Deswegen sind sie oft dankbar, wenn du sie ansprichst. Du könntest ihnen dann zum Beispiel Buchstaben erklären und Bilder dazu aufmalen. Und vielleicht seid ihr gemeinsam stark genug, einen Ansprechpartner zu finden, der noch mehr helfen kann. Das kann  ein Lehrer sein. Denn wenn der Mut einmal da ist, ist es nie zu spät, Lesen und Schreiben zu lernen.

Von Anica Tischler