Schaf sein in Köln am Rhing

Schaf sein in Köln am Rhing
Thomas Schneider und seine Schafe mitten in Köln. Foto: Csaba Peter Rakoczy

Auf unsicheren Beinen stakst das Lämmchen durch das Gras der Poller Wiesen am Rheinufer. Seine Mutter weicht ihm nicht von der Seite, denn das weiße Wollknäuel mit den schwarzen Flecken rund um die Augen ist erst vor wenigen Stunden geboren worden. Von der Stelle aus, an der die Schafherde grast, sieht man die Südbrücke, die Kranhäuser und sogar den Dom. Moment mal, Schafe in Köln? Was machen die denn hier?

Die Herde gehört dem Wanderschäfer Thomas Schneider, der mit seinen Tieren von einer Weide zur nächsten zieht: Sie grasen auf den Flächen rund um seinen Hof bei Wipperfürth, er ist mit ihnen im Bergischen Land und in der Wahner Heide unterwegs – und zwei mal im Jahr schnuppern die Schafe sogar Stadtluft. Im Frühjahr und Herbst kommt Thomas Schneider nach Köln auf die Poller Wiesen. „Die Schafe sind im Grunde das ganze Jahr über draußen“, erzählt er. Wir haben den Wanderschäfer, seine Herde und Hütehund Nico am Rheinufer besucht.

Foto: Doreen Reeck

Tierische Rasenmäher

Die rund 500 Schafe von Thomas Schneider sind besondere Tiere: Sie gehören zur Rasse der Bentheimer Landschafe, von denen es in Deutschland heute nur noch wenige gibt. „Sie sind kleiner als andere Schafrassen, wiegen ein paar Kilo weniger und sind genügsam. Deshalb werden sie vor allem in der Landschaftspflege eingesetzt“, erklärt der Schäfer. Landschaftspflege bedeutet, er führt seine Herde in Gebiete, wo Wiesen, Heide und Weiden umweltfreundlich „gemäht“ werden sollen. Zum Beispiel im Naturschutzgebiet Wahner Heide. Die Schafe knabbern das Gras am Boden kurz und einige Ziegen, die ebenfalls zur Herde gehören, zupfen die Sträucher und Bäumchen ab.

 

Schafe auf den Poller Wiesen

Seit mehr als 30 Jahren sorgen die Schafe der Schneiders auch dafür, dass das Gras auf den Wiesen am Kölner Rheinufer nicht zu hoch wird: Schon der Vater von Thomas Schneider war Schäfer und hat mit der Stadt Köln zusammengearbeitet. Weil die Poller Wiesen als Freizeitfläche und bei Hundebesitzern sehr beliebt sind, liegt dort viel Müll und Hundekot. „Die Schafe sind natürlich schlau und knabbern da drum herum. Das können Maschinen nicht“, sagt Thomas Schneider. Das ist nicht der einzige Pluspunkt der tierischen Rasenmäher: Die Stadt Köln muss keine Mähgeräte einsetzen und spart so Geld für Strom und Personal. Außerdem sind Schafe viel umweltfreundlicher als Maschinen. „Es hat für alle nur Vorteile: Ich habe Futter für meine Tiere und muss nichts für die Weideflächen zahlen“, erklärt Thomas Schneider.

Schafe hüten in der Stadt

Da im Sommer die Kölner gerne am Rheinufer sind, kommt der Schäfer mit der Herde lieber im Frühjahr und Herbst für sechs bis acht Wochen nach Köln. Dann ist es ruhiger. Alle Wege werden zu Fuß, beziehungsweise Huf, zurückgelegt: Von Troisdorf in der Wahner Heide bis zu den Poller Wiesen brauchen die Tiere zum Beispiel zwei ganze Tage. „Im Lauf der Jahre kennt man die besten Schleichwege durch die Stadt“, verrät Thomas Schneider, „das Hüten ist hier anders als auf dem Land. Es ist mehr los, Spaziergänger und vor allem nicht angeleinte Hunde können die Schafe erschrecken.“ Damit die Tiere nicht wegrennen und verloren gehen, wenn das passiert, stellt er einen Zaun um die Herde herum auf. Vormittags und nachmittags schaut er nach dem Rechten, kümmert sich um kleine Verletzungen der Schafe und repariert Zäune. Nachts bleiben die Schafe alleine am Rhein, den Zaun zieht Thomas Schneider dann enger um die Herde. Er selbst fährt abends nach Hause – damit das schneller geht, nimmt er dann aber das Auto.

Schäfchen zählen

Drei Mal im Jahr werden in der Herde von Thomas Schneider junge Schafe geboren: zur sogenannten Lämmerzeit am Jahresanfang, im April und im Herbst. „Wenn ich morgens zur Herde komme, schaue ich als Erstes, ob in der Nacht Lämmchen zur Welt gekommen sind“, erzählt der Schäfer, „am Anfang dürfen Mutter und Kind nicht getrennt werden. Sie erkennen sich gegenseitig an der Stimme und am Geruch, das müssen sie sich erst einprägen“, sagt er. Auf der Weide kann es schnell passieren, dass sich Mutterschaf und Lamm aus den Augen verlieren. Gerade bei Zwillingen kann die Mutter nicht immer auf zwei Schäfchen gleichzeitig aufpassen. Daher nimmt Thomas Schneider die Mütter mit ihren frisch geborenen Jungen erst mal wieder mit nach Hause in den Stall, damit sie sich in Ruhe aneinander gewöhnen können.

Foto: Csaba Peter Rakoczy

Ein verschmuster Hütehund

Immer mit dabei ist Nico: Der große Hund mit dem wuscheligen rotbraunen Fell liebt es, gestreichelt zu werden. „Er ist ein richtiger Schmusehund“, sagt Thomas Schneider und lacht, „aber er ist auch einer meiner wichtigsten Mitarbeiter. Die Schafe hören auf mich, aber das tun sie vor allen, weil sie wissen: Wenn sie frech werden, schicke ich Nico los, um für Ordnung zu sorgen“. Außer Nico hat Thomas Schneider noch drei andere Hunde, die ihm beim Hüten helfen. Wenn die Schafe auf einer Weide auf dem Land grasen, stellt er keinen Zaun auf, weil es dort ruhiger ist als in der Stadt. Nico hat dann mehr zu tun: Er passt auf, dass die Herde zusammenbleibt.

Der Schäfer Thomas Schneider. Foto: Csaba Peter Rakoczy

Ein Traumberuf

Dass er Schäfer werden wollte, wusste Thomas Schneider schon als Kind: „Mein Vater war auch Schäfer und als ich klein war, habe ich immer zu meiner Mama gesagt: Ich will keinen Mittagsschlaf machen, ich will bei Papa mit!“, erinnert er sich. Das Schönste an seinem Beruf ist für ihn der Kontakt zu den Tieren und dass er viel in der Natur sein kann. Wenn er im Winterhalbjahr im Bergischen Land unterwegs ist, heißt das aber auch: „Von morgens bis es dunkel wird, stehe ich auf der Weide und hüte – bei Wind und Wetter“, sagt er. Gegen Kälte und Regen schützt ihn dann sein langer Schäfermantel. Trotzdem: Die langen Tage draußen sind ihm viel lieber als Papierkram im Büro, der auch zum Beruf des Schäfers gehört.

von Doreen Reeck