Hier lebe ich – Ungewöhnlich wohnen in Köln

Mali mit ihrem Papa Jan Soencksen. Sie reisen mit ihrem Familienzirkus durch ganz Europa. (Foto: Krasniqi)
Mali mit ihrem Papa Jan Soencksen. Sie reisen mit ihrem Familienzirkus durch ganz Europa. (Foto: Krasniqi)

Die meisten von uns leben in einem ganz normalen Haus oder in einer Wohnung. Vier Wände, ein paar Fenster, eine Tür. Doch manche Kinder wachsen ganz anders auf. Wir haben Kinder in ihrem ganz besonderen Zuhause besucht.

Maxam zum Beispiel wohnt auf einem Boot. Tim und Pia leben mit einer ganzen Horde Tiere auf dem Bauernhof. Und Mali ist mit ihren Eltern in einem Zirkuswagen unterwegs.  So sieht ihr Leben aus:

Pia und Tim leben auf dem Bauernhof

Pia und ihr Bruder Tim leben auf einem Bauernhof in der Nähe von Eitdorf. (Foto: Worring)

Pia und ihr Bruder Tim leben auf einem Bauernhof in der Nähe von Eitorf. (Foto: Worring)

Adele ist Pias Liebling. Denn Adele lässt sich von der Sechsjährigen knuddeln, herzen, abknutschen – und steht dabei einfach still. Das ist besonders, denn Adele ist eine Kuh. „Und jede von denen hat einen ganz eigenen Charakter“, erklärt Tim, Pias Bruder. Neben Adele, der Schmusekuh, gibt es auch Jule, die Schubskuh. Sie stößt Pia gerne um, wenn sie die Weide betritt. „Die kann ich gar nicht leiden“, sagt Pia.

Pia und der 14 Jahre alte Tim leben auf dem Bauernhof Schiefen in Eitorf. Hier gibt es immer etwas zu tun. Wenn Tim nachmittags aus der Schule kommt, hilft er seinem Vater oft dabei, die rund 50 Milchkühe zu melken. Von fast allen kennt er die Namen. Erst treiben sie die Kühe von der Weide in den Stall. Dann testen sie mit den Händen kurz, ob aus ihren Zitzen auch Milch fließt. „Vormelken“ nennt Tim das. Erst danach schließt er an jede Zitze vorsichtig einen Sauger der Melkmaschine an. Die zapft automatisch die Milch ab und leitet sie in einen großen Kessel. So können 1000 Liter Milch pro Tag zusammenkommen.

Wenn Tim aus der Schule nach Hause kommt, hilft er seinem Vater oft, die rund 50 Milchkühe zu melken. (Foto: Worring)

Wenn Tim aus der Schule nach Hause kommt, hilft er seinem Vater oft, die rund 50 Milchkühe zu melken. (Foto: Worring)

Das ist zwar eine Menge Arbeit – aber Tim macht sie richtig gern. Denn im Stall hat er auch Zeit, um mit seinem Papa über die Schule und seine Freunde zu quatschen. Außerdem kann er Dinge tun, zu denen viele Kinder nie Gelegenheit haben: jeden Tag auf einem Traktor fahren, zum Beispiel.

Pia mag das Reiten besonders gerne. Neben Kühen, Kälbern, Hühnern, Katzen und Ziegen leben auf dem Bauernhof nämlich auch die Pferde Olivia und Mini. „Beim ersten Mal hatte ich auf dem großen Pferd Angst“, sagt sie. Und runtergefallen ist sie sogar schon ein paar Mal. Aber immer wieder aufgestiegen. „Und jetzt klappt es super!“

Auch wenn die Schiefens keine Tiere wegen ihres Fleischs schlachten, sterben manchmal Tiere auf dem Bauernhof, weil sie alt oder krank sind. Als eine junge Kuh ohne Vorwarnung ausgerechnet an Heiligabend tot im Stall lag, war die ganze Familie traurig. „Da war Weihnachten für uns gelaufen“, sagt Tim. Öfters aber werden neue Kälber auf dem Hof geboren. Pia hat da eine eigene Strategie entwickelt: Wenn zum Beispiel die Kuh Alberta vor kurzem gestorben ist, tauft sie das nächste Kalb, das geboren wird, auch Alberta. „So ist immer eine Alberta bei uns!“, erklärt sie.

Mali ist mit dem Zirkus unterwegs

Jan, Mali, Nina und Zora vor ihrem Wohnwagen. (Foto: Krasniqi)

Jan, Mali, Nina und Zora vor ihrem Wohnwagen. (Foto: Krasniqi)

Mali braucht keine Babywippe. Denn schaukelig geht es bei ihrer Familie zu Hause ohnehin oft zu. Ihr Vater Jan Soencksen war sechs Jahre alt, da sprang er als Löweverkleidet bei einem Zirkusprojekt in der Schule durch einen Reifen. „Danach war klar, was ich werden würde: Artist“, sagt Jan gut 30 Jahre später. Heute reist er mit seinem kleinen Familienzirkus „Convoy Exceptionell“ im Sommer für sechs Monate durch ganz Europa und ist Zirkusdirektor, Clown, Jongleur, Seiltänzer, Tuba-Spieler, Sänger und Hundedompteur in einem. Mali ist zwei Jahre alt und auch schon ein richtiger Clown. Klingt ganz schön fantastisch? Ist es auch. Nur nicht immer, verrät Jan.

Denn hinter einem Zirkus steckt jede Menge Arbeit und Planung. Wann fährt man am besten wohin? Welche neuen Kunststücke kann man zeigen? Außerdem muss man sich mit seiner Familie ziemlich gut verstehen. Denn Jans Frau Nina, seine zweijährige Tochter Mali, das Baby Zora und die Hunde Jester und Nutmeg schlafen in einem Wohnwagen. „Das kann ganz schön eng werden“, sagt Jan.

Mali ist zwei Jahre alt. Und auch schon ein richtiger Clown. (Foto: Krasniqi)

Mali ist zwei Jahre alt. Und auch schon ein richtiger Clown. (Foto: Krasniqi)

Deswegen freut er sich schon, wenn Mali größer ist. Dann hängt er einfach einen Mini-Wohnwagen in Ei-Form an den Elternwagen: Malis neues Kinderzimmer.

Maxams Zuhause ist auf dem Rhein

Maxim und ihr Vater Bernd auf ihrem Boot in Sürth am Rhein. (Foto: Worring)

Maxam und ihr Vater Bernd auf ihrem Schlepper Fint in Sürth am Rhein. (Foto: Worring)

Maxams Zuhause schwimmt auf dem Rhein. Wenn die Sonne am Sürther Bootshaus untergeht und es langsam kalt und dunkel wird, ruft ihr Papa oft: „Wir legen ab!“ Dann reisen die beiden der Sonne hinterher: Maxam klettert ganz nach vorne auf den Bug und löst das schwere Tau, das ihren Schlepper Fint am Steg festhält. Und Fint tuckert mit lautem Motor los.

Maxams beste Freundin bringt deswegen immer einen Badeanzug mit, wenn sie zu Besuch kommt. Am liebsten springen die beiden nämlich von Fints Dach ins Wasser, probieren Köpper und Arschbomben. Manchmal treibt der Fluss auch Dinge an, die die beiden gut gebrauchen können. Styroporplatten zum Beispiel. „Fast so gut wie Luftmatratzen!“, sagt Maxam.

Wenn sie keine Lust auf schwimmen hat, bleiben Maxam einhundert andere Dinge zu tun. Denn Fint ist nur ein kleiner Teil ihres Zuhauses. Auf Käpt‘n Hook, einem zweiten Kahn, steht ihre Badewanne. Und einen Kilometer vom Steg entfernt, direkt am Strand, ist ihr riesiger Garten. Von außen entdeckt man ihn kaum, weil er so dicht von Hecken umschlossen ist. Hier wachsen Brombeeren, Johannisbeeren, Mirabellen und Maxams Lieblingsobst: Äpfel. In der Mitte steht ein Trampolin, zwischen zwei Bäumen hängt eine Slackline und aus einem rostigen Rohr und einem Brett baut Maxam sich im Handumdrehen eine Rampe fürs Fahrrad.

In dem Wundergarten hat Maxam mit einer Heckenschere vor ein paar Jahren den ersten Weg ins Dickicht geschnitten. In diesem Sommer hat sie geholfen, totes Holz aus den Bäumen zu sägen. „Ganz schön anstrengend für die Arme“, sagt Maxam und zeigt ihre Muskeln.

Auch das gehört zu Maxims Zuhause: Der Wundergarten direkt am Strand. (Foto: Worring)

Auch das gehört zu Maxams Zuhause: Der Wundergarten direkt am Strand. (Foto: Worring)

Wenn alle paar Jahre im Frühjahr der Rhein über seine Ufer tritt und das Hochwasser kommt, müssen die Kernbergs die Schuppen leer räumen und das Zelt abbauen. Denn das Wasser flutet auch ihren Garten. Auf Fint und Käpt´n Hook sind sie aber sicher: Die Schiffe steigen einfach mit der Flut immer höher. Und während alle anderen drinnen warten müssen, bis das Wasser verschwindet, kann Maxam auf den Türmen des Spielplatzes klettern – sie und ihr Vater paddeln einfach mit den Kanus hin.

Von Annika Leister