So lebt ein Kapitän auf seinem Schiff

So lebt ein Kapitän auf seinem Schiff
Henrik Jiskoot sitzt im Steuerhaus seiner „Navitas“. Hier hat er die Strecke vor sich im Blick. (Fotos: Martina Goyert)

Mit einem lauten „Rums“ setzt der riesige Kran einen grauen Container an Deck ab. Das Schiff wackelt, der Kaffee in der Tasse schwappt hin und her. „Alles eine Sache der Gewöhnung“, sagt Henrik Jiskoot und lacht. Der 36-Jährige ist Kapitän und Besitzer der „Navitas“. Mit dem 135 Meter langen Schiff fährt er auf dem Rhein zwischen Rotterdam in den Niederlanden und Köln hin und her.

Die Navitas

Die Navitas

Mit an Bord hat er bis zu 420 Container. Sie sind gefüllt mit allerlei Dingen – vor allem mit Autoteilen, aber auch Fahrrädern, Spielzeug und Möbeln. Am Hafen in Rotterdam werden die Waren aus Ländern wie China mit Kränen auf die „Navitas“ gewuchtet. Dann geht es über Duisburg, Krefeld, Düsseldorf, Dormagen und Leverkusen nach Köln. Die „Navitas“ stoppt zwischendurch, um Container abzuladen oder neue aufzunehmen. An ihr Ziel werden die Waren mit Zügen oder Lastwagen gebracht.

Im Gehirn des Schiffes

Die Container bringt Hendrik von Köln nach Rotterdam.

Die Container bringt Henrik von Köln nach Rotterdam.

In Köln werden an diesem Tag noch 80 Container abgeladen und 127 neu aufgeladen. Das dauert zwölf Stunden. Während dieser Zeit sitzt Henrik Jiskoot im Steuerhaus. Es ist so etwas wie das Gehirn des Schiffes und vollgepackt mit technischen Geräten und Bildschirmen. Von hier aus steuert der Schiffsführer die „Navitas“ und hat die Strecke im Blick. Das Steuerhaus lässt sich elektronisch so hoch fahren, dass der Kapitän auch die hoch gestapelten Container überblicken kann.

Immer wieder schaut er auch auf sein Radargerät. Darauf sieht er andere Schiffe oder große Gegenstände, die vor ihm im Wasser treiben. Vor allem im Dunkeln ist der Kapitän auf diese Hilfsmittel angewiesen. Es ist wichtig, rechtzeitig auszuweichen. Denn das Lenken dauert sehr lange: Bis zu drei Kilometer, wenn die „Navitas“ flussabwärts fährt – in der Schiffersprache heißt das „zu Tal“. Flussaufwärts – „zu Berg“ – dauert es bis zu 800 Meter.

Kluge Planung nötig

Im Hafen manövriert Jiskoot die „Navitas“ auf Anweisung der Hafenmitarbeiter mit zwei Steuerhebeln vor oder zurück. So können die Kräne die Container an die richtigen Stellen laden. „Die meiste Zeit plane ich, wo welche Container hinkommen“, sagt Jiskoot. Es kommt drauf an, an welchen Hafen sie müssen und was sie wiegen. Das Gewicht muss immer ausbalanciert sein, damit das Schiff nicht in Schieflage gerät. „Das ist ein bisschen wie Tetris spielen.“ Am Hafen muss alles möglichst schnell gehen.

Hell und modern: So sieht das Wohnzimmer aus.

Hell und modern: So sieht das Wohnzimmer aus.

Henrik Jiskoot ist immer eine Woche unterwegs und hat dann eine Woche frei. Er wohnt in der Nähe von Rotterdam, ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn. Manchmal fährt seine Familie mit auf dem Schiff. Außer ihm sind noch ein Steuermann und zwei Matrosen mit an Bord. Wer denkt, die Crew schlafe in winzigen und engen Kajüten, irrt: Vom Steuerhaus führt eine steile Treppe in eine geräumige, helle und modern eingerichtete Wohnung mit riesigem Wohnraum, offener Küche, einer Spielecke für Söhnchen Adam, Fernseher, mehreren Schlaf- und Badezimmern.

Ans Schaukeln gewöhnt

Hendrik wird immer sanft in den Schlaf gewiegt.

Henrik wird immer sanft in den Schlaf gewiegt.

Wäre das sanfte Schaukeln nicht, könnte man meinen, es sei eine normale Wohnung. Das Schaukeln bemerkt Jiskoot nicht mehr. Er schläft gut an Bord: „Nur, wenn nachts Container aufgeladen werden, stört das.“ Er ist auf dem Wasser aufgewachsen, auch sein Vater war Schiffsführer.

Viel Zeit in den Städten, die Jiskoot ansteuert, hat er nicht. Manchmal macht die Crew einen Ausflug, zum Beispiel in die Kölner Altstadt. An Bord sind mehrere Autos, die per Kran an Land gehoben werden. Über Tanks bekommt die Crew Frischwasser zum Kochen oder Duschen. Das benutzte Wasser wird später in den Rhein geleitet. Wenn Jiskoot Urlaub hat, fährt er am liebsten in die Berge oder geht in den Wald. Am Wasser ist er schließlich genug.

Die Navitas

„Navitas“ bedeutet Eifrigkeit. Sie wiegt voll beladen fast 6500 Tonnen und hat 3000 PS. Zum Vergleich: Ein Kleinwagen wiegt eine bis eineinhalb Tonnen und hat zwischen 60 und 100 PS. In die Tanks passen 70.000 Liter Diesel. Der Kapitän muss nur alle paar Wochen tanken. Flussabwärts schafft die „Navitas“ 21 Kilometer pro Stunde, flussaufwärts elf.

Von Kathy Stolzenbach