Wie geht es Kindern in Syrien?

Wie geht es Kindern in Syrien?
Kleine Erwachsene: Kinder in Syrien müssen oft hart arbeiten. Diese Jungen haben Feuerholz auf ihrer Schubkarre gesammelt. (Foto: Save the Children)

Bidjan Nashat arbeitet für die Hilfsorganisation Save the Children Deutschland. Er kommt gerade von einer Reise aus Jordanien, dort hat er Flüchtlingslager in der Nähe der syrischen Grenze besucht. In Syrien selbst gibt es einige Gebiete, in denen die Menschen festsitzen. Sie werden belagert von verschiedenen Gruppen, die sich gegenseitig bekämpfen. Bidjan Nashat hat uns erzählt, wie es für Kinder dort ist.

Wie leben die Kinder in Syrien?

Bidjan Nashat (Foto: Save the Children)

Bidjan Nashat (Foto: Save the Children)

Bidjan Nashat: Überall im Land sind ganz viele Häuser zerstört. Es gibt sehr viele Trümmer. Deshalb müssen viele Kinder im Freien leben oder in den Ruinen ihrer Elternhäuser. Wenn sie fliehen konnten, kommen sie meistens in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern unter. Teilweise sind sie da sogar geboren und aufgewachsen. Aber auch dort ist das Leben sehr schwer. Es ist mal im Urlaub toll, in einem Zelt zu übernachten. Aber wenn man immer dort wohnt – auch im kalten Winter – kann das für Kinder sogar gefährlich sein.

Wie sieht der Alltag syrischer Kinder aus?

Das war mal ein Spielplatz. Viele syrische Städte sind komplett zerstört. (Foto: dpa)

Das war mal ein Spielplatz. (Foto: Save the Children)

Bidjan Nashat: Krieg ist eine schlimme Situation für Kinder. Viele Kinder müssen arbeiten  und werden zu kleinen Erwachsenen. Sie müssen Wasser und Feuerholz holen, um ihre Eltern zu unterstützen. Manchmal müssen sie auch die Rolle der Erwachsenen ganz übernehmen. Die Kinder stehen dadurch unter großem Stress, auch, weil sie sich Sorgen um ihre Familien machen und Angst vor Angriffen haben.

Was macht den Kindern am meisten Angst?

Bidjan Nashat: Am meisten macht ihnen Angst, dass ihre Häuser angegriffen werden und dass sie dort nicht mehr raus können.

Was machen die Kinder bei einem Angriff?

Bidjan Nashat: Sie verstecken sich in den Ruinen und hoffen, dass der Angriff bald vorbei geht. Sie wissen, wie gefährlich die vielen Bomben und Schüsse für sie sind. Es geht ihnen dann sehr schlecht und sie sind sehr traurig. Einige werden auch wütend, wieder andere ziehen sich zurück. Einen normalen Alltag herzustellen, ist schwierig.

Gehen die Kinder noch zur Schule?

Unterricht gibt es nur noch selten in Ruinen. (Foto: Save the Children)

Unterricht gibt es nur noch selten. (Foto: Save the Children)

Bidjan Nashat: Leider viel zu selten. Es gibt kaum noch Lehrer oder Schulen. Viele Gebäude sind  zerstört. In den belagerten Gebieten gibt es noch vereinzelt Unterricht in den kaputten Häusern oder unterirdisch. Den geben meistens Eltern oder andere Verwandte der Kinder. Für Kinder in Deutschland ist der Schulbesuch selbstverständlich. Sie sind manchmal sogar genervt vom Lernen. Die Kinder in Syrien wollen unbedingt lernen, weil es für sie etwas wie Normalität bedeutet. Sie vermissen sogar den Mathematik-Unterricht.

Was haben die Kinder in Syrien zu essen?

Bidjan Nashat: Sie haben generell viel zu wenig Nahrung. Oft gibt es noch nicht einmal Brot. Viele Kinder haben noch nie in ihrem Leben Obst gesehen. Deshalb sammeln sie sogar Blätter von den Bäumen und kochen sie. Manchmal bauen sie auch Lebensmittel selbst an oder essen Tiernahrung oder Gras. Wir als Hilfsorganisation versuchen, möglichst vielen Kindern und Familien Lebensmittelpakete und Medikamente zu bringen. Wir haben in den vergangenen Jahren mehr als eine halbe Million Kinder erreichen können. Aber wir müssen noch viel, viel mehr tun.

Wie geht es für die Kinder weiter?

Bidjan Nashat: Das Wichtigste ist, dass die Kinder Essen und Medikamente bekommen. Es gibt kaum noch Ärzte, manchmal nur noch einen Tierarzt. Medikamente sind meistens abgelaufen. Dann ist es wichtig, dass die Kinder wieder unterrichtet werden. Irgendwann wird der Krieg in Syrien ja hoffentlich vorbei sein, und dann braucht das Land ausgebildete Menschen, um es wieder aufzubauen.

Warum können sie nicht irgendwohin, wo es ihnen besser geht?

Bidjan Nashat: Es haben bereits fast fünf Millionen Menschen Syrien verlassen. Darunter auch viele Kinder. Aber einige dürfen nicht weg, weil die Konfliktparteien sie nicht aus dem Land lassen. Außerdem sind immer weniger Länder bereit, Flüchtlinge aufzunehmen .

Wie kann man den Kindern helfen?

Aus den Städten zu fliehen, ist nicht einfach. (Foto: Save the Children)

Zu fliehen wird immer schwerer. (Foto: Save the Children)

Bidjan Nashat: Wir konnten in den vergangenen Jahren mit ganz vielen Spendern zusammen viel helfen. Es gibt jetzt einige Projekte vor Ort, um Kinder wieder zu unterrichten. Sie bekommen ein Stück Alltag zurück. Außerdem können wir einige Familien vor Ort mit Lebensmitteln versorgen . Von Deutschland aus kann man mit Geldspenden helfen. Jede noch so kleine Spende hilft. Auch in den Schulen kann man eine Spendenaktion starten. Außerdem ist es wichtig, dass man sich über die Situation in Syrien informiert und die Kinder vor Ort nicht vergisst. Vielen geht es eben nicht so gut, wie Kindern in Deutschland.

Das Interview führte Jennifer Stötzel