Kann GNTM schaden?

Kann GNTM schaden?
Die zehnte Staffel von Heidi Klums (links) Modelshow hat Vanessa Fuchs gewonnen (rechts). (Foto: dpa)

Am Donnerstagabend geht Heidi Klums Modelshow „Germany’s Next Topmodel” wieder los. Die Sendung hat viele Fans – vor allem unter Mädchen und jungen Frauen. Aber sie steht auch immer wieder in der Kritik, weil die Kandidatinnen so dünn sind. Professor Christoph Wewetzer ist Kinder- und Jugendpsychiater und arbeitet als Chefarzt am Kinderkrankenhaus Köln. Wir haben den Experten gefragt, was an der Kritik dran ist.

Ist es normal, dass Mädchen so schlank sind wie  in der Sendung „Germany’s Next Topmodel“?

Professor Christoph Wewetzer: Nein. Die Voraussetzung für die Sendung ist ja, dass die Mädchen mindestens 1,76 Meter groß und sehr schlank sein sollen – und das sind die wenigsten. Aber Mädchen, die vielleicht 1,55 Meter groß sind und 50 Kilogramm wiegen, kommen nicht in diese Sendung. Weil aber vermittelt wird, dass nur die Dünnen toll sind, fühlen sich manche Mädchen schlecht, sind mit ihrem Aussehen unzufrieden und fangen zum Beispiel eine Diät an. Es ist auch problematisch, wie die Mädchen dargestellt werden und wie gezeigt wird, dass sie schlecht übereinander reden. Ich finde es nicht gut, wie mitgeteilt wird, ob man weitergekommen ist oder nicht: Ich habe heute kein Foto für dich. Wenn ein Lehrer so Noten vor der Klasse mitteilen und es so hinauszögern würde,  würden sich viele sehr beschweren.

Kann diese Sendung wirklich Magersucht auslösen?

Wewetzer: Ja, davon bin ich fest überzeugt. Natürlich ist das nicht bei allen so, aber es kann ein Auslöser für Magersucht sein. Manche Mädchen, die ich hier in der Klinik behandele, erzählen mir, dass sie die Sendung geguckt haben und sich dann im Spiegel betrachtet haben. Dann fanden sie, dass sie viel zu dick sind und haben angefangen, abzunehmen.

Woran erkennt man Magersucht?

Wewetzer: Magersüchtige sind sehr, sehr dünn. 90 Prozent der Kinder in ihrem Alter wiegen mehr als sie. Fast alle Magersüchtigen sind Mädchen, nur einer von zehn ist ein Junge. Trotzdem haben diese Kinder immer noch das Gefühl, zu dick zu sein – und wollen immer weiter abnehmen. Deswegen trinken und essen sie sehr wenig und nur Dinge, die wenige Kalorien haben. Zum Frühstück gibt es zum Beispiel nur einen Löffel Müsli mit Wasser. Dadurch verändert sich der Körper: Die Mädchen frieren sehr schnell und bekommen blaue Füße und Hände, weil der Körper nicht mehr genug Kraft zum Heizen hat. Ihr Herz schlägt langsamer, ihre Haare fallen aus, die Haut wird trocken und sie wachsen nicht mehr. Sie werden auch sehr traurig, ziehen sich zurück und wollen nichts mehr unternehmen. Diese Krankheit kann auch zum Tode führen.

Werden Mädchen denn häufiger magersüchtig?

Wewetzer: Ja, es gibt immer mehr Mädchen, die schon mit zehn oder elf Jahren magersüchtig werden. Das war früher absolut selten, da fing es meist erst mit 14 Jahren an.  Insgesamt leiden etwas mehr als ein Prozent aller Mädchen und Frauen an einer Magersucht. Das klingt zwar wenig,  ist aber eine sehr hohe Zahl.

Warum werden viele Mädchen magersüchtig?

Wewetzer: Viele finden, dass es wichtig ist, ganz dünn zu sein. Und das wird überall so vermittelt. Es gibt keine Zeitschriften für Frauen und Mädchen ohne Diät-Tipps. Diäten sind aber gerade bei jungen Mädchen ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Magersucht. Auch viele Stars sind sehr dünn. Aber die Fotos von ihnen sind oft bearbeitet und zeigen nicht die Wirklichkeit.  Wenn Mädchen mit dem Abnehmen anfangen, kann es sein, dass sie durch das Abnehmen in die Magersucht rutschen. Meistens kommen jedoch viele Faktoren zusammen, bis jemand eine Magersucht entwickelt. Manche Mädchen werden auch gemobbt oder sind traurig und denken: Wenn ich dünner werde, wird bestimmt alles besser. Und dann essen sie immer weniger.

Das Gespräch führte Angela Sommersberg