Frieden im Klassenzimmer

Frieden im Klassenzimmer
Tulip und Ayelet sind beste Freundinnen. Die beiden 11-Jährigen kennen sich schon seit dem Kindergarten. (Foto: Sternsinger)

In der Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem sitzen arabische und jüdische Kinder nebeneinander und lernen nicht nur zweisprachig, sondern vor allem, keine Angst voreinander zu haben. Damit haben sie den meisten Menschen in ihrer Region viel voraus.

Beste Freundinnen

Tulip und Ayelet sind beste Freundinnen. Die beiden 11-Jährigen kennen sich schon seit dem Kindergarten und sitzen in allen Schulstunden nebeneinander. Oft kichert die eine los, sobald die andere was sagt. Tulip möchte gerne Regisseurin werden und Ayelet am liebsten Schauspielerin. Kein Wunder also, dass sie beide kein Mathe mögen, aber dafür umso lieber Kunst.

Ein kleines Wunder dagegen ist es, dass sie so gute Freunde sind und dass sie sich überhaupt kennen: Tulip ist nämlich Araberin – und Ayelet ist Jüdin. Dazu muss man wissen, in Israel haben viele Juden Angst vor den Arabern, und viele Araber haben Angst vor Juden.

Oft gibt es getrennte Schulen

Weil die meisten jüdischen Kinder in Israel auf jüdische Schulen gehen, und die meisten palästinensischen Kinder auf arabische Schulen, gewöhnen sie sich daran, dass man unter sich bleibt, denn sie kennen es nicht anders. Und wenn man sich nicht kennen lernt, dann hat man manchmal sogar noch mehr Angst voreinander.

Aber Ayelet und Tulip gehen auf eine besondere Schule in Jerusalem: die Hand-in-Hand-Schule. Seit zweieinhalb Jahren wird die Schule vom Kindermissionswerk ,Die Sternsinger’ aus Deutschland unterstützt. Fünf solcher Schulen gibt es bereits in Israel, und sie sind ein echter Hoffnungsschimmer.

Hier lernen alle zusammen

Tulip (rechts) und Ayelet in der Schule (Foto: Kathrin Harms/Kindermissionswerk)

Hier lernen arabische und jüdische Kinder vom Kindergarten an gemeinsam. Es wird abwechselnd Hebräisch oder Arabisch gesprochen. Normalerweise lernen jüdische Kinder fast gar kein Arabisch in der Schule, weil ihre Muttersprache, das Hebräisch, die israelische Amtssprache ist. Arabische Kinder dagegen müssen Hebräisch lernen, um in Israel zurecht zu kommen, zum Beispiel wenn sie dort studieren wollen.

Es braucht aber auch Mut, die Hand-in-Hand-Schule zu besuchen. Das haben die beiden Mädchen schon selbst erlebt. „Es ist schwierig, meinen anderen Freunden zu erklären, was wir hier machen“, sagt Ayelet. „Was, du lernst wirklich mit Arabern?“, fragen die dann. Und Ayelet antwortet: „Natürlich! Und meine beste Freundin heißt Tulip!“

Kinder lernen Religion der anderen kennen

Weil nicht nur Moslems und Juden zu den 700 Schulkindern gehören, sondern auch Christen und ein paar Kinder, deren Familien zur winzigen Religionsgemeinschaft der Drusen gehören, gibt es neben Mathe, Kunst und Englisch viel zu lernen! Denn umeinander kennen zu lernen, ist es auch wichtig, zu verstehen, welche Feste der andere feiert und welche Traditionen sein Leben bestimmen. Und da kommt bei vier Religionen ganz schön was zusammen übers Jahr!

Ayelet und Tulip werden noch bis zur zwölften Klasse gemeinsam zur Schule gehen. Dann wird Ayelet wie alle jüdischen Israelis als Soldatin zum Militär gehen müssen – und dann vielleicht sogar einmal gegen Verwandte von Tulip in den Krieg ziehen. Dagegen kann auch die Schule nichts unternehmen. Aber immerhin wissen Ayelet und Tulip längst, dass man auch befreundet sein kann, obwohl die eigenen Völker es vielleicht nicht sind.

Warum haben Juden und Araber Angst vor einander?

Das ist schon seit ganz langer Zeit so und auch Tulip und Ayelet spüren diese Angst und manchmal sogar Hass. Nach hunderten Jahren, in denen die Juden in vielen Teilen der Welt verfolgt wurden, haben sie auf dem Gebiet von Palästina ihren eigenen Staat gegründet, den sie dann Israel nannten. Aber für die Palästinenser, die dort vorher lebten, war das besonders schlimm, denn viele Menschen mussten vor den jüdischen Soldaten fliehen und verloren ihre Häuser und ihr Land.

Von Agnes Fazekas (Journalistin, hat die Reportage im Auftrag des Kindermissionswerk geschrieben)