Lissy leiht ihr Fahrrad einem Vogel

Lissy leiht ihr Fahrrad einem Vogel
Rosi brütet in Lissys Helm. (Foto: privat)

Ihr Fahrrad  hat die zwölfjährige Lissy für ein paar Wochen verliehen – an einen Vogel. Lissy war aus dem Osterurlaub zurück nach Köln gekommen und wollte mit ihrer Freundin eine Radtour machen. „Wir hatten mein Fahrrad aus der Garage geholt und ich wollte meinen Helm aufsetzen“, erzählt sie. Der Helm lag im Fahrradkorb. „Da hat meine Freundin gerufen, ich soll ihn liegen lassen.“ Und dann sah Lissy es auch: In dem Helm lag ein Nest. Darin kullerten zwei kleine Eier.

Rotkehlchen sucht Schutz

Lissy (Foto: Privat)

Lissy (Foto: Privat)

Durch die offene Tür in der Garage war während des Urlaubs  offenbar ein Vogel geflogen. Er hatte  den vor Regen und Wind geschützten Helm im Fahrradkorb so einladend gefunden, dass er dort sein Nest baute. Der Vogel hatte Glück, denn Lissy hat sich vorbildlich verhalten: Nachdem sie die Eier entdeckt hatte, schob sie das Rad zurück in die Garage.

„Ich wusste ja nicht, ob die Mutter das Nest an einem anderen Ort wiederfinden würde.“ Bald sah Lissy auch, was für ein Vogel da in ihrem Helm nistete: ein Rotkehlchen, das sie „Rosi“ nannte.

In der Stadt müssen Vögel erfinderisch sein

Der Kölner Biologe und Vogelexperte Carlo Schöttler erklärt, warum Rosi das Nest im Helm gebaut hat. „So ein Nistplatz ist zwar ungewöhnlich. Es kommt in der Stadt aber gar nicht so selten vor“, sagt er. Denn dort haben Vögel es oft schwer, einen Nistplatz zu finden. Das Rotkehlchen braucht sehr dichtes Gebüsch oder wilde Hecken für sein Nest. Weil es das in der Stadt selten gibt, müssen die Tiere erfinderisch sein.  Andere Vogelarten wie Blaumeisen brüten  in Höhlen von alten Bäumen.

Briefkästen, Gartenschuhe, Lkws

Diese Störche nisten auf Mobilfunkmasten. (Foto: dpa)

Diese Störche nisten auf Mobilfunkmasten. (Foto: dpa)

In der Stadt kommt es schon mal vor, dass sie ihr Nest in  Laternenpfähle bauen, bei denen eine Abdeckung fehlt und die deshalb ein Loch haben. „Für die Vögel sieht das ähnlich aus wie ein Baum mit einer Höhle“, erklärt Carlo Schöttler. „Meisen brüten auch manchmal im Motorraum von Lkws, die länger nicht gefahren wurden.“ Auch Briefkästen und sogar Gartenschuhe werden zum Nistplatz umfunktioniert. „Bei allen Vogelarten gibt es immer einige Tiere, die so mutig sind, ungewohnte Plätze zum Nisten auszuwählen.“ Diese Tiere nennt man Pioniere, weil sie die Ersten sind, die sich anders verhalten als ihre Artgenossen. Dank ihnen können Vögel reagieren, wenn sich ihre Umwelt ändert, es zum Beispiel weniger Bäume gibt. Rosi ist so eine Pionierin.

Alleinerziehende Mama

Auf ihr Fahrrad verzichtete Lissy ihr zuliebe. Sie schaute regelmäßig in der Garage vorbei, um zu sehen, was sich im Nest getan hatte – ohne ihm zu nahezukommen. „Am nächsten Tag waren drei Eier im Nest. Rosi ist offenbar eine alleinerziehende Mutter. Einen zweiten Vogel habe ich nämlich die ganze Zeit über nicht gesehen“, berichtet sie. Bei den Rotkehlchen sitzen nur die Weibchen auf den Eiern, um sie auszubrüten. Die Fütterung übernehmen aber eigentlich beide Eltern.

Bald hörte Lissy lautes Fiepen aus der Garage. Das erste Küken, „Tick“, war geschlüpft. In den nächsten Tagen folgten „Trick“ und „Track“.   Tick, Trick und Track sind mittlerweile ausgeflogen. Auch wenn Lissy sich freut, dass sie wieder Rad fahren kann und dass die Küken gesund und munter sind: Das Fiepen aus der Garage vermisst sie doch ein bisschen.

So verhälst du dich richtig

Wenn du einmal ein Nest an einer Stelle findest, an der es nicht bleiben kann, solltest du es nicht einfach an eine andere Stelle legen. Hol dir stattdessen Hilfe beim Naturschutzbund (Nabu) oder beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschlands (Bund). Dort gibt es Leute, die wissen, wann und wie ein Nest umgesetzt werden kann. Am besten ist es aber natürlich, wenn du das Nest dort lässt. Je nach Vogelart dauert es nur etwa zwei bis vier Wochen, bis die kleinen Vögel flügge sind.
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Von Jasmin Krsteski